"Health Perception Lab": Mit allen Sinnen gegen Adipositas
Gesunde Ernährung und der Kampf gegen Adipositas sind gewichtige Themen an der Fachhochschule (FH) Joanneum. Unterstützen möchte man vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die sich entweder noch nicht oder nicht mehr gut genug über ihre Sinne orientieren können, also etwa Säuglinge und ältere Menschen. Für die Forschung steht dazu ein eigenes Health Perception Lab zur Verfügung, das mit modernen Methoden dem Geschmacksempfinden auf den Grund geht.
Das Institut für Diätologie der FH Joanneum besteht aus dem Bachelorstudiengang Diätologie und einem berufsbegleitenden Masterlehrgang der Angewandten Ernährungsmedizin, der das nächste Mal wieder im Sommersemester 2017 startet, wie Institutsleiterin Elisabeth Pail im Gespräch mit APA-Science erklärte. Der dritte große Eckpfeiler des Instituts ist das 2014 eröffnete, von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des COIN-Programms geförderte Health Perception Lab.
"Unser primäres Ziel war es, uns der Adipositas-Problematik anzunehmen. Die Behandlung wird mit zunehmender Ausprägung immer schwieriger und es gibt eigentlich kaum Ansätze, die schon in der frühesten Phase beginnen", so Pail über den Hintergrund, das Labor zu installieren. So rückte eine bis dato ungewöhnliche Zielgruppe in den Fokus: Schwangere, Stillende und Babys.
"Vererbter" Geschmack?
Für die Forschung mussten mangels Beispielen aus der Praxis innovative Methoden entwickelt werden, fündig wurde man vor allem beim Thema Sensorik. Im Mittelpunkt steht dabei das Thema Geschmack, "wie schmeckt man etwas, wie verlaufen auch die unterschiedlichen Geschmacksgrenzen zwischen normal- und übergewichtigen Personen", erklärt Pail einige Fragestellungen. Konkret wollten die Grazer Forscherinnen zum Beispiel wissen, wie sich die Ernährungsgewohnheiten von Schwangeren auf die Geschmacksentwicklung von Babys im Mutterleib auswirken und inwieweit diese Faktoren zur Entstehung von Adipositas beitragen können.
Dazu wurde ein Mix aus unterschiedlichen Methoden angewendet. In einem ersten Schritt wurden bereits die werdenden Mütter in Sensorikkabinen darauf getestet, ob ihnen süße oder salzige Lebensmittel besser schmecken. Später erhielten auch ihre Babys mit Pipetten Salz- oder Zuckerlösungen. Nachdem die Babys naturgemäß keine sinnstiftenden Aussagen treffen können, untersuchte eine semiautomatisierte Gesichtserkennung (Facial Action Coding System) ihre Emotionen. Zusätzlich gaben die Mütter und auch eine klinische Psychologin ihre Einschätzungen dazu ab. Insgesamt wurden in mehreren Testreihen 63 Mutter-Kind-Paare untersucht, genauer analysiert wird derzeit eine Stichprobe von ungefähr zehn Babys.
Trotz des für eine wissenschaftliche Studie kleinen Samples ist die Institutsleiterin angesichts der "extrem aufwendigen" Auswertung von der Aussagekraft überzeugt. Die Entwicklung werde mit dieser Studie aber ohnehin nicht beendet sein, man sehe sich eher am Beginn eines langen Prozesses. Mit der Methodik habe man Neuland betreten, was auch international beobachtet werde: "Oberstes Ziel war es, diese Methoden zu etablieren. Wir müssen nun schauen, ob sie in dieser Form für die Analyse bei Babys geeignet sind."
"Lehr- und Lernkonzepte"
Um Kindern die Vorteile eine gesunden Ernährungsweise schmackhaft zu machen, reichen noch so sorgfältig vorgetragene Argumente oft nicht aus. Das Projekt "Lehr und Lernkonzepte für eine gesunde Ernährung" verfolgt daher eine Doppelstrategie. So soll das Computerspiel "Zebra geht einkaufen" bereits Vorschulkindern entsprechendes Wissen vermitteln. Und für Kindergärtner/-innen werden Lehrunterlagen entwickelt, die Experimente mit Lebensmitteln ermöglichen.
Aber auch konkrete Produkte sind bereits aus Projekten an der FH hervorgegangen. Ein von Studierenden des Studiengangs "Nachhaltiges Lebensmittelmanagement" entwickeltes "Sternebrot" aus Dinkelvollkorn wurde anhand den Präferenzen von Kindern für Farbe und Form gestaltet und ist nebenbei natürlich gesund. Das Sternebrot soll nun von einer Grazer Bäckerei "in absehbarer Zeit" auf den Markt gebracht werden.
Bessere Ernährung im Pflegeheim
Neben Müttern und Babys stehen auch ältere Personen im Fokus der Forschung. "Da geht es etwa darum, die Ernährungssituation von Personen im Pflegeheim zu optimieren, um dem Problem der Mangelernährung vorzubeugen", so Pail. Wenn der Geschmacks- und Geruchssinn nachlässt, müsse Essen anders zubereitet sein, damit es auch schmeckt. Gemeinsam mit einer Pflegeeinrichtung in Wien wird an einer Studie gearbeitet, wie man mit regelmäßigem Geruchstraining Mangelernährung vorbeugen kann.
Interdisziplinarität wird auch bei dem im Sommersemester 2017 zum vierten Mal startende, berufsbegleitenden Masterlehrgang der Angewandten Ernährungsmedizin großgeschrieben, der als erster gemeinsamer Masterlehrgang zwischen einer Universität (MedUni Graz) und einer FH mit einem österreichweit einzigartigen Konzept aufwarten könne. "Auch hier nähern wir uns dem Bereich der Ernährungsmedizin an, das heißt unsere Zielgruppe im Master sind Mediziner und Diätologen. Wir nehmen keine anderen Berufsgruppen, also keine Ernährungswissenschafter usw., sondern nur diese beiden Berufsgruppen, die in Österreich berechtigt sind Ernährungstherapien am Patienten zu verrichten", so Pail. Ziel dahinter ist es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesen beiden Berufsgruppen zu fördern.
Von Mario Wasserfaller / APA-Science
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