"Nach der Dürre ist vor der Dürre"
Große Teile Österreichs litten in den vergangenen Jahren unter Dürre. Speziell in den Jahren 2011, 2015 und 2018 fiel weniger Regen als erwartet. Doch war dies nicht alleine ausschlaggebend für die ausgeprägte Dürre, sondern auch die außergewöhnlich hohen Temperaturen ließen die Böden rasch austrocknen. Hinzu kam ein weiteres durch den Klimawandel verursachtes Phänomen, das bis vor kurzem weniger beachtet wurde. Nämlich die Tatsache, dass sich die großräumige Wetterlage immer öfter über viele Wochen nur wenig ändert, was in einem Extremfall zu intensiven Regenfällen, im anderen eben zu Dürre führt. Auch heuer bahnt sich in Österreich dieses Muster neuerlich an. Von Februar bis April des Landes war es in einigen Regionen viel zu trocken, dann folgte ein außergewöhnlich nasser und kühler Mai, und der Juni beschert uns wieder überdurchschnittlich warmes und trockenes Wetter.
Nachdem der Klimawandel ungebremst voranschreitet, wäre es unrealistisch zu hoffen, dass die Dürren der letzten Jahre nur natürliche Wetterkapriolen gewesen sind und sich nicht so schnell wiederholen werden. Im Gegenteil, man sollte sie als Vorboten von noch schlimmeren Dürren ansehen und sich fragen: Sind wir auf solche Extremereignisse vorbereitet? Die Antwort ist leider nein, da noch nicht einmal die Wissenschaft alle Fragen zu den komplexen Wirkungszusammenhängen des Auftretens und der Auswirkungen von Dürre beantworten kann. Erschwerend kommt hinzu, dass viele wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht in der Praxis angekommen sind. Es bedarf noch umfangreicher Diskussionen zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und der breiten Öffentlichkeit, um nachhaltige Adaptionsmaßnahmen zu entwickeln, die von allen mitgetragen werden können.
Eine essenzielle Grundlage für diese Diskussionen sind Daten, die die Ausprägung von Dürre und deren Folgen in so verschiedenen Sektoren wie der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Energieerzeugung und dem Transportwesen erfassen. Eine alleinige Betrachtung von Regenfallanomalien ist dafür längst nicht mehr ausreichend, sondern man braucht flächendeckende Daten, die alle natürlichen und gesellschaftlichen Prozesse erfassen und mithilfe von geeigneten Modellen verschnitten werden können. Neuartige Satelliten ermöglichen es, flächendeckende Daten über den Zustand der Landoberfläche zu gewinnen. Erfreulich ist, dass Europa in der zivilen Erdbeobachtung eine globale Führungsrolle eingenommen hat. Noch nie standen so viele hochqualitative Daten zur Verfügung; noch nie standen also die Chancen besser, Dürre in ihrer Entstehung und allen Auswirkungen umfassend zu erfassen.
Ein in Österreich intensiv erforschtes Thema ist die flächendeckende Erfassung der Bodenfeuchtigkeit mittels Satelliten und Prozessmodellen, die in der Hydrologie, Meteorologie und Agronomie zum Einsatz kommen. Dieses Thema ist gerade für Dürre von höchster Relevanz, da sich in der Bodenfeuchtigkeit sowohl ein Mangel an Niederschlag als auch erhöhter Verdunstung widerspiegeln und sich damit Wasserstress in der Vegetation oder niedrige Wasserpegel frühzeitig vorhersagen lassen. Die Erfassung der Bodenfeuchtigkeit mittels Satelliten ist dank der Verwendung von Radartechnologien möglich. Dabei werden kurze Mikrowellenpulse vom Satelliten zur Erdoberfläche geschickt, und die rückgestreuten Echos geben Auskunft über die Bodenfeuchtigkeit. Solche Radar-basierten Bodenfeuchtigkeitsdaten stehen Nutzern auf der ganzen Welt bereits frei und quasi in Echtzeit zur Verfügung. Diese Services werden vom europäischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) angeboten, die Algorithmen stammen von der Technischen Universität (TU) Wien, die operationellen Kapazitäten werden von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und dem EODC Erdbeobachtungsdatenzentrum zur Verfügung gestellt. Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten wurden u.a. vom österreichischen Weltraumprogramm ASAP unterstützt.
Trotz dieser internationalen Erfolge müsste noch viel mehr unternommen werden, um Dürre in ihrer gesamten Komplexität zu beschreiben und geeignete Adaptionsmaßnahmen in Österreich zu planen. Ein wichtiger Schritt dafür ist die Schaffung einer gemeinschaftlichen Hochleistungsrechnerinfrastruktur, die es ermöglicht, Satelliten- und Klimadaten in Prozessmodellen zu verschneiden und die von Dürre betroffenen Sektoren zusammenzubringen. Aus Mitteln des vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) finanzierten Hochschulraumstrukturmittelfonds wurde unter der Leitung der Universität Graz im Rahmen des GEOCLIM Projekts dafür bereits eine wichtige Grundlage geschaffen, in dem die Kapazitäten des EODC Erdbeobachtungsdatenzentrums, des Vienna Scientific Clusters und des Climate Change Centre Austria integriert wurden. Durch eine Weiterentwicklung dieser Kapazitäten - optimalerweise an einem gemeinsamen Standort - wäre eine Überführung in die Praxis schnell zu erreichen.