Hinweise mehren sich: Wasser könnte aus zwei Flüssigkeiten bestehen
Wasser unterscheidet sich in mehr als 60 Eigenschaften von fast allen anderen Flüssigkeiten. Der Grund dafür könnte in einem weiteren erstaunlichen Merkmal liegen: Er mehren sich die Hinweise, dass Wasser aus zwei Flüssigkeiten besteht. Innsbrucker Chemiker haben nun die Grundlage für den eindeutigen Nachweis dieser Theorie gelegt, berichten sie im Fachjournal "PNAS".
Die bekannteste erstaunliche Eigenschaft von Wasser ist die Dichteanomalie: Die Flüssigkeit hat bei Normaldruck nicht als Eis seine höchste Dichte, sondern bei vier Grad Celsius. Das ist der Grund, warum Eis auf Wasser schwimmt. Schon länger gibt es eine mögliche Erklärung für diese ungewöhnlichen Merkmale, die bis heute aber noch nicht zweifelsfrei experimentell bewiesen ist. Demnach setzt sich Wasser aus zwei unterschiedlich dichten Flüssigkeiten zusammen.
Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck hat bei tiefen Temperaturen bereits zahlreiche Hinweise für die Existenz von zwei Formen von flüssigem Wasser gefunden und diese auch isolieren können. Nun ist es dem Chemiker und seinem Team gelungen, die Rahmenbedingungen herauszufinden, unter denen ein eindeutiger Nachweis des Zwei-Flüssigkeits-Modells gelingen kann. Sie haben dazu tief unterkühltes, flüssiges Wasser bei bis zu 3.000 bar Umgebungsdruck experimentell zugänglich gemacht.
Sie kühlen dazu Wasser in einem Druckzylinder stark ab und setzen es sehr hohem Druck aus. Dabei entstehen je nach Herstellungsmethode unterschiedliche Formen von sogenanntem amorphen Eis, das keine kristalline Grundstruktur aufweist. Doch gleich welches amorphe Eis ursprünglich hergestellt wird - erwärmt man es langsam, entsteht bei einem Druck von bis zu 3.000 bar immer ein- und derselbe Zustand: hochdichtes, liquides Wasser ("HDL"). Je nach Druck entsteht diese flüssige Form im Temperaturbereich zwischen minus 150 und minus 120 Grad Celsius.
HDL kein kurzzeitig beobachtbarer instabiler Zustand
Für den Wissenschafter ist es ein "zentrales Puzzlestück", dass HDL unabhängig davon entsteht, auf welchem Weg man zu diesen Druck- und Temperaturbedingungen gelangt. "Dieser Befund widerlegt, dass HDL nur ein kurzzeitig beobachtbarer instabiler Zustand wäre, der gleich wieder verschwindet", so Lörting.
Vielmehr sei nun der Beweis erbracht, dass "HDL" zwischen 1.000 und 3.000 bar thermodynamisch stabil ist. Diese Phase lasse sich isolieren und über lange Zeiträume beobachten und charakterisieren. "Hätten wir bei 1.000 bar kein hochdichtes, flüssiges Wasser isolieren können, wäre die Theorie von den zwei Flüssigkeiten obsolet gewesen", so Lörting. Die neue Erkenntnis erlaubt den Forschern, nun einen Schritt weiter zu denken: Es könnte nun möglich sein, nur durch minimale Änderung von Druck und/oder Temperatur von der hochdichten zur niederdichten Flüssigkeit umzuschalten und wieder zurück. "Dieser ultimative Beweis für das Zweiflüssigkeitsmodell ist nun in greifbare Nähe gerückt", so Lörting
Trifft dieses zu, würden die zwei verschiedenen Zustände auch bei Wasser vorliegen, wie es aus der Leitung kommt. Weil sich aber bei Raumtemperatur die Moleküle ultraschnell bewegen, wären die beiden Erscheinungsformen nicht mehr voneinander zu trennen. Jedenfalls könnten zwei Wasser-Formen auch die besonderen Eigenschaften erklären. Demnach würde beispielsweise bis zum Dichtemaximum bei vier Grad Celsius der Anteil des hochdichten Zustandes ansteigen.
Service: http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1819832116