Kläranlagen reinigen noch klarer
Der Mensch hinterlässt mit seinen Abfällen deutliche Spuren im Wasser. Mancherorts finden sich Rückstände von Medikamenten, Körperpflegeprodukten, Pestiziden, Reinigungsmitteln, Mikroplastik usw. nicht mehr nur in Spuren - mit noch nicht wirklich konkret abschätzbaren Auswirkungen im Wasserkreislauf. Das gilt auch für Kläranlagen, die in Österreich üblicherweise in drei Reinigungsstufen (mechanisch, biologisch, abiotisch-chemisch) arbeiten. Das Salzburger Technologieunternehmen SFC Umwelttechnik (SFCU), Spezialist für die Abwasserbehandlung in Großanlagen, setzt genau hier an.
Gemeinsam mit Partnern wurde in einem von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützten Projekt eine Technologie entwickelt, die die beschriebenen anthropogenen Spurenstoffe extrem hochprozentig herausreinigt. Das bereits zur Marktreife gebrachte Produkt (C-ION) und seine Entwickler wurden 2018 mit dem Energy Globe Austria ausgezeichnet.
Kombinierte Technologien
Konkret fand das Projekt in der Großkläranlage im bayrischen Bad Reichenhall statt. Dabei wurde der Ablauf der Abwasserbehandlung durch die Kombination der beiden Technologien Ultrafiltration (Keime, Mikroben etc.) und der Oxidation mit nicht-thermischem Plasma (NTP) ergänzt. Es konnte schließlich die Machbarkeit für die (sogenannte) 4. Reinigungsstufe mit den Partnern Management Center Innsbruck (MCI) und IonOXess gezeigt werden.
Im ersten Systemschritt werden bei der Ultrafiltration Schwebstoffe, Trübstoffe und Mikroorganismen - sogar die meisten Bakterien und Viren - abgeschieden. Dann wird NTP - ionisierte Luft, wobei die Umgebungsluft wie bei einem Blitz aufgeladen wird - wird in das Klärbecken eingeleitet und reagiert dort mit den gelösten Stoffen wie zum Beispiel Medikamentenrückständen und zerstört diese.
"So eine Technologie gibt es noch nicht, das System ist innovativ", so Simon Jabornig, Projektverantwortlicher bei SFCU, im Gespräch mit APA-Science. Im Gegensatz zur "klassischen" Reinigung mit z.B. Ozon werde für das NTP viel weniger Energie benötigt und die Oxidationswirkung sei viel höher, erklärt Jabornig die Vorteile des Systems.
Keimzahlen um 99,99 Prozent reduziert
Nach einer Behandlungsdauer von 40 Minuten werden gemessene Spurenstoffe um 70 Prozent, manche Verbindungen sogar um 95 Prozent abgebaut. Die Keimzahlen konnten um über 99,99 Prozent reduziert werden. Das Verfahren ist laut Projektmanager Jabornig zu 50 Prozent energieeffizienter und ressourcenschonender als bisher verwendete Systeme.
Außerdem sei es weit unproblematischer als die Reinigung mittels Ozon. Ozon ist relativ langlebig, wodurch noch eine Restozonentfernung notwendig sei. Das NTP hingegen löst sich, nachdem es mit den gelösten Stoffen reagiert hat, komplett auf. So habe es bezüglich Investitions- und Betriebskosten gegenüber ähnlichen Technologien große Vorteile.
Die 4. Reinigungsstufe kostet laut einer Faustregel so zwischen 10 und 15 Euro pro Einwohner und Jahr für konventionelle Systeme. Mit der von SFCU entwickelten Technologie können diese Kosten laut Jabornig halbiert werden. "Die Frage ist, will sich diese Kosten eine Gesellschaft leisten", spielt Jabornig den Ball an die Politik weiter. Er attestiert aber, dass es in der Öffentlichkeit und damit auch in der Politik ein steigendes Bewusstsein für das Thema Mikroschadstoffe (Mikroplastik, Medikamenten-, Antibiotikarückstände, Hormone etc.) im Wasser gibt.
Die 4. Reinigungsstufe
In konventionellen Kläranlagen würden die meisten der angesprochenen Mikroschadstoffe durch die 3 standardisierten Reinigungsstufen ungeklärt durchgehen. "Das liegt aber nicht daran, dass die Anlagen schlecht sind, ganz im Gegenteil, sie sind einfach nicht für derartige Rückstände konzipiert", erklärt Jabornig. "Anthropogene Schadstoffe werden mehr und mehr ein Thema, es geht daher zusehends in die Richtung, dass die Kläranlagen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe, einer vierten, ausgestattet werden."
In Österreich werde die 4. Reinigungsstufe noch etwas stiefmütterlich behandelt, konstatiert Jabornig: "Es existieren wohl erste Projekte, in der Schweiz zum Beispiel ist die 4. Reinigungsstufe dagegen bereits gesetzlich vorgegeben - ebenso in Deutschland, besonders in Nordrhein-Westfalen, wo der Rhein sowohl mit Abwasser belastet wird als auch als Trinkwasserquelle dient."
Der Leidensdruck ist im Alpenland noch gering, da hierzulande das Trinkwasser ausschließlich aus ziemlich sauberem Grund- und Quellwasser bezogen wird, das (noch) kaum mit den angeführten Mikroschadstoffen durchsetzt ist. Diese Schadstoffe würden aber trotzdem einen - meist negativen - Einfluss auf die Gewässerflora und -fauna haben, verweist Jabornig auf Berichte von unfruchtbaren Fischen durch Hormone im Wasser. Bei SFCU erwartet man, dass in ein paar Jahren die 4. Klärstufe europaweit gesetzlich Stand der Technik sein wird. Das sei ein logischer Schritt, die Klärtechnik habe sich ständig weiterentwickelt, "irgendwann werden Verfahren der 4. Stufe ganz normal integriert sein."
Neues Projekt
In einem neuen Projekt (Start Juni 2019), das von der FFG im Rahmen von "Horizon 2020" unterstützt wird, soll nun das, "was im großen Rahmen funktioniert auf 'kleinere Einheiten'" umgelegt werden, erklärt Jabornig. Konkret geht es um die Nutzung von Grauwasser (fällt bei der Körperhygiene oder der Waschmaschine an - fäkalienfreies Haushaltsabwasser).
Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt "MULTILOOP Potable water production and multiple reuses from greywater sources", das gemeinsam mit den Partnerfirmen INTEWA GmbH (Aachen) und dem MCI durchgeführt wird, hat zum Ziel, eine patentierte Demonstrationseinheit einer nicht-thermischen Plasmatechnologie zur Aufbereitung von Grauwasser herzustellen und zu Trinkwasserqualität zu führen.
Die Anwendung des Produkts hat laut den Projektverantwortlichen viele Vorteile, insbesondere in Gewerbegebäuden und im Gastgewerbe, wo der reduzierte Frischwasserverbrauch (und damit die Wasserkosten) gleichzeitig ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image der betreffenden Unternehmen fördern und diese möglicherweise für die Öffentlichkeit attraktiver machen könnte.
Ziel sei, dass man im Haus ein gewisses Wasserrecycling macht - heißt, dass das Grauwasser so weit aufbereitet wird, dass es zum Beispiel für die Toilettenspülung, Bewässerung, Reinigung etc. verwendet werden kann. Dafür gibt es bereits Systeme. Im derzeitigen Projekt will man jetzt einen Schritt weitergehen und Trinkwasserqualität erzielen.