"Microgrids: Regionale Energie mit globalen Auswirkungen"
Das traditionelle Energiesystem, das durch einen Anteil von rund 80 Prozent fossiler Energie gekennzeichnet ist, hat sich in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert. Elektrische Energie wird nach wie vor mehrheitlich zentral erzeugt und die Verbraucher werden statisch betrachtet, also nicht aktiv in die Planung und Steuerung des elektrischen Systems einbezogen. Seit einigen Jahren ändert sich außerdem die Sichtweise auf die Begrenztheit der fossilen Energieträger: Sie werden uns nicht so schnell ausgehen, wie lange vorhergesagt.
Mit neuen Fördertechnologien kann mittlerweile wirtschaftlich wieder mehr gefördert werden. Methanhydrate bilden potenziell eine enorme Energiereserve. Wo ist also das Problem? Wieso nicht einfach so weitermachen wie bisher? Lokale Umweltzerstörung durch komplexe Fördertechnologien und die Klimabeeinflussung durch unsere Wirtschaftsprozesse erfordern ein Umdenken. Es zeigt sich, dass wir den Bezug zu Energie verloren haben und sie ohne viel Bewusstsein im großen Stil verbrauchen.
Die rasanten Technologieentwicklungen könnten nun aber die Grundlage legen, unser Energiesystem nachhaltig zu verändern und ein dezentraleres System zu ermöglichen, welches lokale Energieformen wie Biomasse oder Biogas besser mit erneuerbaren Energieformen wie Solar/Wind und Elektroautos kombiniert. Das Speicherproblem für elektrische Energie könnte bald der Vergangenheit angehören. Wenn die Prognosen zu den Preisen und Kapazitäten der Speichertechnologien stimmen, werden vermehrt Photovoltaik, E-Autos und dezentrale stationäre Batterien eingesetzt.
Auch das elektrische System hatte einen holprigen Start und begann vor 100 Jahren als regionales Gleichspannungssystem, das aber wegen Problemen bei der Übertragung durch ein Wechselspannungssystem abgelöst wurde. Mit den heutigen dezentralen Gleichspannungstechnologien (PV, elektrische Speicher) und vielen Gleichspannungsverbrauchern in Haushalten (Fernseher, LEDs, etc.) könnten wir eigentlich auf ein zentrales Wechselspannungssystem verzichten, da lange Übertragungsleitungen überflüssig werden. Nicht zuletzt erlauben die Fortschritte in den Kommunikationstechnologien einfachen und raschen Datenaustausch mit dezentralen Erzeugern, Verbrauchern und der Infrastruktur. Basierend auf diesen Entwicklungen werden wir mehr Microgrids sehen, welche die Energie lokal erzeugen und verbrauchen. Diese Einheiten werden sich gegenseitig koordinieren, Prognosen erstellen und die Lasten verlagern, wenn es lokale Ressourcenknappheit geben sollte. Derart lokale Energiesysteme verringern somit auch die Abhängigkeit von politisch instabilen Regionen, verbessern das Verständnis für Energie und führen zu einer effizienteren Energienutzung.
Microgrids, eine Fiktion?
Das US-Energieministerium definiert ein Microgrid als eine Gruppe von Strom,- Wärme- und Kältelasten, die gemeinsam koordiniert werden können und sich innerhalb einer klar definierten Grenze befinden. Ein Microgrid kann sich vom übergeordneten Netz entkoppeln und isoliert betrieben werden, wenn es wirtschaftliche oder technische Gründe dafür gibt. So können z.B. bei Naturkatastrophen dezentrale erneuerbare Energieformen in einem Microgrid weiter Energie liefern, während andere dezentrale Energieformen ohne dieser Entkoppelungsfunktion das übergeordnete Netz benötigen, um zu funktionieren. Derzeit sind rund 160 Microgrids in den USA im Einsatz und je nach Region strukturell sehr unterschiedlich. Dort wo Raumwärme eine Rolle spielt, sind effiziente Kraft-Wärme-Kopplungen in den Microgrids im Einsatz und erzeugen Wärme, Kälte und Strom simultan. An der Westküste der USA sind vor allem solare Technologien und elektrische Speicher in Microgrids gefragt. Rund 35 Prozent aller Microgrids sind kleiner als 1 MW elektrische Leistung, 36 Prozent liegen zwischen 1 und 10 MW.
Zukünftig werden die großen Exportmärkte für Microgrids in Nordamerika und Asien liegen. Asien ist insbesondere interessant, da hier die Möglichkeit besteht das leitungsgebundene Stromnetz zu überspringen und sofort ein dezentrales Microgridsystem aufzubauen.
Forschung
Neben der Materialforschung für Speichertechnologien ist es notwendig, Systemregler für Tests zu entwickeln: Wie verhalten sich all die dezentralen Technologien im gemeinsamen Konzert und wie können sie effektiv gesteuert werden? Es müssen Wettervorhersagen, Lastprognosen sowie ökonomische Bedingungen wie z.B. Marktpreise oder Netzengpässe berücksichtigt werden. Diese werden schließlich in "Model Predictive Control"-Mechanismen eingebaut. Aktuelle Forschungsprojekte setzen sich auch mit dem Thema der optimalen Platzierung von Microgrids im existierenden Stromnetz auseinander, um den Energieversorger bei Netzengpässen zu unterstützen, oder um die Anschlusskapazitäten für volatile Energieformen (z.B. PV) im Netz zu erhöhen.
Mit anderen Worten, Microgrids bieten auch Dienste für die Energieversorger, um die Netzausbaukosten zu verringern. So verpflichtet die California Public Utilities Commission, welche den Stromsektor in Kalifornien überwacht, Microgrids bei der Netzausbauplanung zu berücksichtigen, um Kosten für die Allgemeinheit zu sparen. Ein komplexes Microgrid zu entwickeln, bedarf auch neuer Softwarelösungen, um die Vielfalt von Technologien in deren Interaktion simulieren zu können, die Ersparnisse zu bestimmen, die Installation des Microgrids zu überwachen und zu begleiten und um die Technologien im Einsatz zu steuern. Derzeit entstehen die ersten Start-Up Firmen - speziell in den USA und vor allem in Kalifornien - , die versuchen, die Forschungsergebnisse auf die Energiewirtschaft umzulegen.
Wirtschaftlicher Faktor
Das weltweite Microgrid-Marktvolumen im Jahre 2020 wird auf bis zu rund 200 Mrd. US-Dollar geschätzt. Dabei wird Kalifornien und das Gebiet um San Francisco eine große Rolle spielen. Im Vergleich zu Europa steht in dem Gebiet um San Francisco rund 250 Prozent mehr Risikokapital für Innovationen zur Verfügung.
Die Transformation des Energiesystems ist bereits voll im Gange. TESLA hat in den 15 Jahren seines Bestehens einen höheren Marktwert erreicht als General Motors, das bereits mehr als 100 Jahre existiert. In Kalifornien gibt es mehr Jobs in der Solarindustrie als bei konventionellen Energieversorgern. Von 2002 bis 2012 betrug das Wirtschaftswachstum in der Erneuerbaren-Industrie 20 Prozent. Die restliche Wirtschaft wuchs lediglich um zwei Prozent. Das Einkommen in der Solarindustrie ist um fast 20 Prozent höher als der US-Durchschnitt. An diesem Trend werden auch derzeitige Versuche der US-Politik nichts ändern. D.h. wir sollten die Pariser Klimaverträge auch als Auftrag an Forschung, Entwicklung und Innovation sehen, um unsere Energiesysteme nachhaltig umzustellen.