Einigung auf Ökostrom-Novelle "in letzter Minute"
Mit den Stimmen der Grünen haben die Regierungsparteien nun die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Novelle des Ökostromgesetzes. "Wir freuen uns, dass ein Durchbruch im Parlament gelungen ist und wir ein ausgewogenes Ergebnis erzielt haben", sagt Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP). Die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner sprach von einer Einigung "in letzter Minute".
Insgesamt "fließen 660 Mio. Euro zusätzliche Fördermittel in den Ausbau von Ökostrom", unterstreicht SPÖ-Energiesprecher Wolfgang Katzian in einer Aussendung. Aus der geplanten "kleinen Ökostromnovelle" sei nun ein relativ großes Gesetzespaket geworden, so Katzian. "Mit dem Ökostrompaket forcieren wir nicht nur den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien, sondern schaffen auch bessere Rahmenbedingungen für Anlagenbetreiber und senken den bürokratischen Aufwand", sagte Wirtschaftsminister Mahrer zur APA.
"Durch die Einigung im Parlament kann der klima- und energiepolitisch wichtige Ökostromausbau jetzt forciert werden. Damit werden Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land gesichert", erklärte Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) in einer Aussendung.
Wie die grüne Umweltsprecherin Brunner am Rande der Nationalratssitzung gegenüber Journalisten ausführte, werden 45 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, um den Abbau der Warteschlange bei Windanlagen-Projekten voran zu treiben. In Summe sind das über 13 Jahre gerechnet 585 Mio. Euro. Gekoppelt ist dies mit Tarifabschlägen zwischen 7 und 12 Prozent.
Was die Photovoltaik angeht, werden 30 Mio. Euro an Investitionsförderung genehmigt. Zudem werden gemeinschaftlichen Anlagen auf Mehrfamilien-Häusern ermöglicht. Bei Biogas werden 11,7 Mio. auf drei Jahre zur Verfügung gestellt. Die so genannte Abwrack-Prämie für die Stilllegung unprofitabler Anlagen kommt zumindest vorerst nicht, sie muss vor der Beschlussfassung von der EU-Kommission genehmigt werden.
Ökostrom-Anteil steigt um einen Prozentpunkt
Mit der Novelle gelinge es, den Ökostrom-Anteil in Österreich um einen Prozentpunkt zu erhöhen. Das klinge zwar nicht nach viel, doch sei der Anteil in den vergangenen 30 Jahren gerade einmal um drei Prozentpunkte gewachsen. Zudem würden Investitionen im Ausmaß von einer halben Milliarde Euro ausgelöst, sagte Brunner.
Die Kosten für die Stromkunden werden durch die Novelle sinken, steigen oder gleich bleiben - das hängt davon ab, wen man fragt. "Die Kosten für Haushalte, Unternehmen und Industrie sinken", erklärt Brunner auf der Website der Grünen.
Von den gleichen Fakten ausgehend kommt Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), zum gegenteiligen Ergebnis: "Die Drei-Parteien-Einigung zum Ökostromgesetz in letzter Sekunde bringt eine deutliche Erhöhung des Förderbudgets - und damit auch der von den Stromkunden zu zahlenden Förderkosten", erklärte Schwarzer in einer Aussendung.
Derzeit betrage die jährliche Belastung der Stromkunden für die Unterstützung des Ökostromsektors rund 800 Mio. Euro, sagte Schwarzer. "Das, was jetzt die Novelle an Geld bewegt - in der Fassung, in der sie beschlossen wird, mit den Zusätzen -, kostet nach unseren Berechnungen mindestens 800 Millionen Euro", sagte Schwarzer zur APA. "Ich glaube, es ist schon untertrieben, wenn wir von 800 Millionen sprechen." Immerhin sei durch den Kompromiss eine extreme Kostenbelastung der Stromkunden vermieden worden.
Wiederum anders sieht man das in der SPÖ: "Das, was die Kunden beitragen über die Ökostromförderung auf ihrer Stromrechnung, das ist ja auf jeder Stromrechnung ausgewiesen, das bleibt konstant", hieß es dazu von SPÖ-Seite. Ohne Novelle würden die auf 13 Jahre abgeschlossenen Förderverträge einfach auslaufen. Lediglich im Vergleich dazu seien die 660 Mio. Euro berechnet auf 13 Jahre als zusätzliche Fördermittel zu betrachten.
Zustimmung aus der Branche, IV-Kritik
Die kleine Ökostromgesetznovelle stößt überwiegend auf Zustimmung, vor allem bei Umweltorganisationen und Erneuerbaren-Branchenvertretern. Kritik kommt von der Industriellenvereinigung und den NEOS. Das Ökostromgesetz werde zu einer Hypothek des heimischen Energiesystems. Die Arbeiterkammer mahnt eine Kontrolle der strengen Förderkriterien ein.
IV-Vize-Generalsekretär Peter Koren kritisierte, dass nun "die Befriedigung von Partikularinteressen tatsächlich auf den letzten Drücker eine nachhaltige, marktkonforme, kosteneffiziente Reform des Systems auf längere Zeit ausgestochen" habe. Anders könne man die "deutliche Volumenerhöhung der Dauersubventionierung von Ökostromanlagen auf Basis von Einspeisetarifen" nicht bezeichnen. Unrealistisch erscheine nun leider, die im Arbeitsprogramm der Bundesregierung verankerten Inhalte einer umfassenden und systemdienlichen Novelle rasch umzusetzen. "Durch eine Umstellung der Fördersystematik, etwa auf Investitionsförderung, und die Einführung von technologie- und effizienzbasierten Ausschreibungsmechanismen könnte das System auf eine nachhaltige und marktverträgliche Zielerreichung ausgerichtet werden", sagte Koren laut Pressemitteilung.
Mängel ortet auch NEOS-Energiesprecher Sepp Schellhorn: Es würden erneut nur Kleinigkeiten angepasst anstatt nachhaltige Reformen für die gute Entwicklung eines nachhaltigen Marktes zu setzen. "Es muss endlich auf eine marktbasierte Förderung umgestellt werden. Ansonsten bleiben wir weiterhin in einer energiepolitischen Steinzeit hängen.
Die Arbeiterkammer sieht die Ökostrom-Einigung als "Schritt in die richtige Richtung". Positiv sei, dass die Fördergelder zukünftig nicht im Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern dass es strenge Effizienzkriterien geben soll. Strengere Effizienzkriterien seien vor allem für die bestehenden, alten Biogasanlagen wichtig. "Jetzt geht es darum, dass die strengen Förderkriterien auch kontrolliert werden. Das heißt auch Einsichtsrechte der E-Control in die Kostenstruktur der Empfänger der Fördergelder", so Christa Schlager, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien. Wenn man die Klima-Ziele erreichen wolle, müsse aber rasch mit der Diskussion um die große Ökostromnovelle begonnen werden.
Der Strom-Branchenverband Oesterreichs Energie sieht die Einigung ebenfalls positiv und betont, dass im Interesse der Versorgungssicherheit vor allem die Neuregelungen zur Sicherung der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) und die Neuregelungen für die strategische Netzreserve besonders hervorzuheben seien. Damit werde ein notwendiger Rahmen für den Betrieb systemrelevanter Kraftwerke geschaffen. Generalsekretärin Barbar Schmidt: "Die vorliegende Novelle bringt Verbesserungen, die wir dringend benötigen, um den Umbau des Energiesystems voranzutreiben."
Der Dachverband der Erneuerbaren Energien (EEÖ) begrüßt grundsätzlich die Tatsache, dass ein Abschluss erfolgt ist und "damit ein Zeichen für den Klimaschutz und Österreichs Anti-Atompolitik gesetzt wurde". "Als Erneuerbare haben wir ein Zwischenziel erreicht, auch wenn wir unterwegs noch ordentlich gerupft wurden", so EEÖ-Präsident Peter Püspök. "Für den dringend notwendigen großen Sprung nach vorne bei Klimaschutz und Energiewende brauchen wir von der nächsten Regierung aber noch viel mehr Rückenwind."
Ausbauzuwachs von circa 25 Prozent im Jahr 2018
Photovoltaic-Austria-Präsident Hans Kronberger erwartet für das Jahr 2018 einen Ausbauzuwachs von circa 25 Prozent bzw. 40 bis 50 Megawatt. Impulse werde auch die Ermöglichung von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen auf Mehrparteienhäusern setzen. "Nach mehr als dreijährigem Ringen mit zig Rückschlägen ist im allerletzten Finish der Parlamentssaison noch das Wunder geschehen, dass sich ÖVP, SPÖ und Grüne auf das Verfassungsgesetz geeinigt haben. Unsere Forderungen sind im Wesentlichen erfüllt."
Bei der Windkraft könne durch das Sonderkontingent von 45 Mio. Euro für den Abbau eines Teils der Warteschlange voraussichtlich in wenigen Monaten mit der Umsetzung von rund 120 Anlagen mit 350 MW Windkraftleistung begonnen werden, so die IG Windkraft. In Summe würden diese Windparks ein Investitionsvolumen von 580 Mio. Euro auslösen und die heimische Wirtschaft ankurbeln. "Schmerzliche Abschläge" ortet man jedoch bei den Einspeisetarifen, die von 7 bis 12 Prozent des zugesagten Tarifs reichten. "Hier wird sich zeigen, ob bei bereits genehmigten Projekten so hohe Kostenreduktion überhaupt möglich sind", so IG-Windkraftgeschäftsführer Stefan Moidl.
Für die Umweltorganisation Global 2000 ist "ein erster Schritt für mehr Schwung in der österreichischen Klimapolitik" getan. Der Reparatur des Ökostromgesetzes müssten nun aber weitere Schritte folgen. WWF-Energie- und Klimaschutzreferent Karl Schellmann erklärte, dass nun die nächsten Ausbauschritte ermöglicht würden. Eine echte Weiterentwicklung des Ökostromgesetzes muss sich aus WWF-Sicht aber "am wirklichen Ausbaubedarf einer vollständigen Energiewende mit dem Ziel einer 100 Prozent erneuerbaren Energieversorgung orientieren und auch Naturschutzkriterien für die zu fördernden Projekte enthalten".
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