"Vertrieben und umgesiedelt durch Maßnahmen zum Klimaschutz"
Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration ist in den letzten Jahren in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt. Anfängliche Katastrophenszenarien, die das Bild von Massen von migrierenden Menschen gezeichnet haben, sind mittlerweile realistischeren Einschätzungen gewichen. Diese weisen darauf hin, dass das sich verändernde Klima sehr unterschiedliche Migrationsformen hervorrufen kann und bei vielen gefährdeten Menschen Migration sogar verhindern wird. Auch Maßnahmen zum Klimaschutz, wie beispielsweise die Produktion von erneuerbarer Energie, werden zunehmend mit erzwungener Migration in Verbindung gebracht. Diese Maßnahmen können sich negativ auf Menschenrechte vor allem in Ländern des Südens auswirken. Sie können nicht nur problematische Folgewirkungen auf das Recht auf Nahrung, Wasser oder Wohnen zeigen, sie können auch zu Vertreibung, Abwanderung und Umsiedelung von Menschen führen. Verschiedene UN-Institutionen, NGOs und vor allem Betroffene selbst weisen bereits seit Jahren auf die problematischen Auswirkungen der Produktion von Biotreibstoffen, des Baus von Wasser- oder Geothermalkraftwerken sowie von Aufforstungsprojekten hin. Vor allem das Land und die Existenzgrundlage der indigenen Bevölkerung sind dadurch bedroht.
Viele dieser Projekte werden im Rahmen des internationalen Klimaabkommens durchgeführt und unter anderem auch von europäischen Entwicklungsbanken finanziert. In dem vom Österreichischen Klima- und Energiefonds finanzierten Projekt ClimAccount - Human Rights Accountability of the EU and Austria for Climate Change Policies in Third Countries and their possible Effects on Migration wurde die internationale Dimension der menschenrechtlichen Konsequenzen dieser Maßnahmen untersucht. Das Ziel des Projektes war es, die komplexe Beziehung zwischen klimapolitischen Maßnahmen, Menschenrechten und Migration zu erforschen und die menschenrechtliche Verantwortung (extraterritoriale Menschenrechtsverpflichtungen) von negativen Folgen klimapolitischer Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu analysieren.
Im Zuge der Forschung wurden drei Fallstudien zu klimapolitischen Projekten in drei außereuropäischen Ländern durchgeführt. Alle drei Projekte sind als Mitigationsmaßnahmen im Rahmen des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM für Clean Development Mechanismus) des Kyoto-Protokolls registriert: der Bujagali-Staudamm in Uganda, das Geothermalprojekt Olkaria IV in Kenia und der Barro Blanco-Staudamm in Panama. In Zuge des Baus des Bujagali-Staudammes und des Olkaria-Kraftwerkes wurden mehrere Dörfer zwangsweise umgesiedelt. Das Reservoir des Barro Blanco-Staudamms, das seit einigen Wochen befüllt wird, bedroht angrenzende indigene Siedlungen mit Vertreibung, Zwangsenteignung, erschwertem Zugang zu und Einbußen von Ackerland sowie Verlust der kulturellen Identität.
Die Fallstudien haben fallübergreifende Muster problematischer Menschenrechtsauswirkungen und die Nicht-Einhaltung internationaler Rechtsnormen deutlich gemacht:
a) unzureichende Einbindung der betroffenen Bevölkerung im Entscheidungsprozess;
b) unzulänglicher Schutz der von Migration, Zwangsräumungen und Umsiedelungen betroffenen Menschen und
c) mangelnde Sorgfaltspflicht der beteiligten (europäischen) Firmen und Finanzierungsinstitutionen.
Das ist darauf zurückzuführen, dass Menschenrechte bisher in internationalen Klimaabkommen nur unzureichend berücksichtigt wurden. Die Verfahrensweisen des CDM beinhalten zwar das Ziel der nachhaltigen Entwicklung und sehen die Einbindung von betroffenen Personen vor, sie überlassen es aber den Ländern, in denen die Projekte durchgeführt werden, diesbezügliche Kriterien zu definieren. Der CDM sieht auch keine Mechanismen vor, Probleme, die während der Implementation des Projektes auftreten, zu thematisieren und zu lösen. Die Projekte werden nicht dahingehend überprüft, welche Auswirkungen sie auf die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerung haben. Der CDM ist zwar mittlerweile am Auslaufen, er soll aber laut Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 von einem ähnlichen Mechanismus ersetzt werden. Da das Pariser Abkommen den Schutz der Menschenrechte bei klimapolitischen Maßnahmen in der Präambel verankert hat, wäre ein neuer Mechanismus ein geeigneter Ansatzpunkt, hierbei auch menschenrechtliche Standards zu berücksichtigen.
Viele CDM-Projekte werden von bilateralen Entwicklungsbanken europäischer Staaten oder der Europäischen Investmentbank (mit-)finanziert. Die Finanzierung solcher Projekte stellt auch einen zentralen Ansatz im internationalen Klimaabkommen dar. Diese Banken wenden zwar oft soziale Schutzstandards an, um negative Auswirkungen dieser Projekte vorzubeugen, diese sind aber nicht unbedingt menschenrechtskonform.
Die Analysen haben gezeigt, dass die rechtlichen Grundlagen für extraterritoriale Menschenrechtsverpflichtungen in diesem Zusammenhang kaum gegeben sind. Die betroffenen Menschen sind daher, falls vorhanden, auf außergerichtliche Verfahrensmechanismen angewiesen, die, wenn überhaupt, freiwillig von den Banken eingerichtet werden. Obwohl diese sehr wichtig für den Zugang zum Recht der betroffenen Bevölkerungsgruppen sind, weisen sie sehr oft auch Mängel auf, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit, der mangelnden Verbindlichkeit ihrer Entscheidungen oder in Bezug auf die Unabhängigkeit dieser Mechanismen.