Hehre Energieziele - und versteckte "umweltschädliche" Subventionen
Die Energiewende muss gelingen, steht für weite Teile der Politik außer Frage. Dennoch werden fossile Energieträger nach wie vor kräftig subventioniert. Nicht direkt, wie über Zuschüsse oder Darlehen, sondern - wie in den meisten europäischen Ländern - über steuerliche Begünstigungen. Österreich fördert allein die Bereiche Verkehr, Energie und Wohnbau mit rund vier Milliarden Euro jährlich, wie eine Wifo-Studie belegt.
Gemeinsam mit Daniela Kletzan-Slamanig erstellte Angela Köppl vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) im Vorjahr im Auftrag des Klima- und Energiefonds eine Studie, wonach in Österreich jährlich zwischen 3,8 und 4,7 Milliarden Euro an "umweltschädlichen" Subventionen in die Bereiche Verkehr (rund die Hälfte des Volumens), Energie (etwas über ein Drittel) und Wohnen (knapp 14 Prozent) fließen. Als größten Brocken nennen die Autorinnen die Diesel-Begünstigung von rund 640 Mio. Euro im Jahresschnitt, gefolgt vom Pendlerpauschale (inkl. Pendlereuro) im Ausmaß von 560 Mio. Euro. Auch die pauschale Dienstwagenbesteuerung (225 Mio. Euro) fällt in diese Kategorie.
Rund 40 Prozent der Förderungen kommen privaten Haushalten zugute, etwa 60 Prozent Unternehmen. National änderbar wären knapp zwei Drittel des Volumens, nämlich 2,3 bis 2,9 Mrd. Euro im Jahr. Mit den jährlichen Milliardenbeträgen verstärke die Politik umweltbelastende Effekte wie Flächenversiegelung, Zersiedelung und stärkere Autonutzung, anstatt durch sinnvolle Lenkungsmaßnahmen gegenzusteuern, befinden die Autorinnen.
Weltweites Fördervolumen: 325 Milliarden US-Dollar
Weltweit betrugen die fossilen Subventionen im Jahr 2015 laut der Internationalen Energieagentur (IEA) 325 Milliarden US-Dollar (entspricht 0,44 Prozent des weltweit erzeugten Bruttoinlandsprodukts). Dieser Anteil steigt sogar auf sechs Prozent des BIP, wenn man die weit breitere Definition des International Monetary Fund (IMF) nimmt. Der IMF rechnet etwa auch anfallende Kosten für Umweltbelastungen wie lokale Luftverschmutzung und Klimawandel sowie Stau- und Unfallkosten oder Straßenabnützung zusätzlich zur Abgrenzung der IEA hinzu, erklärte Köppl.
Gegenüber 2014 (493 Mrd. US-Dollar) sind die Fördermittel für fossile Energieträger zwar gesunken, was laut IEA aber auf die global sinkenden Energiepreise zurückzuführen sei.
Subventionen für Erneuerbare legten im selben Zeitraum von 135 Milliarden US-Dollar (2014) auf 150 Milliarden (2015) zu. Hier seien Förderungen wegen der sinkenden Technologiekosten effektiver geworden, heißt es im World Energy Outlook 2016. Ob sich der Trend fortsetze, hänge neben der Preisentwicklung bei Öl unter anderem davon ab, in welchem Tempo die Erneuerbaren auch ohne Staatshilfen wettbewerbsfähig würden.
Ökostrom: Ungleiche Verteilung der Lasten und Benefits
Denn aus Wind, Biomasse und Sonnenenergie erzeugter Strom ist teurer als Strom aus fossilen Energieträgern oder aus bestehenden großen Wasserkraftwerken. In Österreich schultern diese zusätzlichen Kosten zu einem beträchtlichen Teil die Endverbraucher über die Ökostrompauschale und den Ökostromförderbeitrag, der per Verordnung festgelegt wird. Im Jahr 2016 schoss jeder österreichische Haushalt 120 Euro für Ökostrom zu. Allerdings sind die Ökostromkosten laut IG Windkraft rückläufig. So dürfte der Ökostromförderbeitrag 2017 mit 788 Millionen Euro gegenüber 2016 (960 Mio. Euro) um 27 Prozent sinken, somit auch die Kosten pro Haushalt auf unter 100 Euro.
Infrastrukturminister Jörg Leichtfried hatte sich erst im Mai unzufrieden mit der ungleichen Verteilung der Lasten und Benefits beim Ökostrom gezeigt und eine umfassende Studie angekündigt, die aufzeigen soll, was wirklich mit dem Fördergeld passiere. Profiteure sind für den Minister etwa ländliche Grundbesitzer, die auf ihren Flächen Windräder aufstellen könnten und dadurch an den Ökostrom-Fördergeldern mitnaschen - oder auch alte ineffiziente Biogasanlagen, für die es Geld gibt. Derzeit würden 40 Prozent der Kosten von den Privatkunden getragen und von dieser Mittelschicht fließe das Geld zu einer "kleinen, privilegierten Gruppe". Auch Industrie, Gewerbe und Handel seien bei der Finanzierung des Ökozuschlags mitzuberücksichtigen.
Der Nationalrat hat unterdessen am 29. Juni die gerade erst fertig verhandelte "kleine" Ökostrom-Novelle einstimmig abgesegnet. Sie bringt vor allem mehr Geld für Wind- und Photovoltaik-Anlagen. Insgesamt sollen rund 660 Mio. Euro zusätzliche Fördermittel in den Ausbau von Ökostrom fließen. Damit soll auch die Warteschlange bei Windanlagen-Projekten abgebaut werden.
Bei der Windkraft könne durch das Sonderkontingent von 45 Mio. Euro für den Abbau eines Teils der Warteschlange voraussichtlich in wenigen Monaten mit der Umsetzung von rund 120 Anlagen mit 350 MW Windkraftleistung begonnen werden, so die IG Windkraft. In Summe würden diese Windparks ein Investitionsvolumen von 580 Mio. Euro auslösen und die heimische Wirtschaft ankurbeln. "Schmerzliche Abschläge" ortet man jedoch bei den Einspeisetarifen, die von 7 bis 12 Prozent des zugesagten Tarifs reichten. "Hier wird sich zeigen, ob bei bereits genehmigten Projekten so hohe Kostenreduktion überhaupt möglich sind", so IG-Windkraftgeschäftsführer Stefan Moidl.
Geförderter Ökostrom: 15,9 Prozent des Gesamtstroms
Im Jahr 2015 betrug der Anteil des geförderten Ökostroms am gesamten in Österreich verbrauchten Strom 15,9 Prozent (2014: 14,5 Prozent). Insgesamt liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch in Österreich dank seiner günstigen topografischen Gegebenheiten - vorteilhaft für Wasserkraft und Biomasse - mit 77 Prozent weit über dem EU-Durchschnitt. Auch der Anteil an Windkraft, Photovoltaik und Geothermie an der Stromerzeugung ist kontinuierlich gestiegen und machte 2015 9 Prozent aus. Nachholbedarf gibt es laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Wärme- und Mobilitätsbereich.
Außer über das Ökostromgesetz wird erneuerbare Energie in Österreich hauptsächlich über den Klima- und Energiefonds gefördert.
Leichtfried stellte erst kürzlich in Aussicht, sich stärker in die Energiepolitik einzubringen und plädierte für eine Verdoppelung der öffentlichen Investitionen in die Energieforschung auf 280 Millionen Euro jährlich. Aus der aktuellen "Energieforschungserhebung 2016" geht hervor, dass die öffentliche Hand im vergangenen Jahr 140,9 Millionen Euro in Energieforschung investiert hat. Das sind rund zehn Prozent mehr als 2015.
Dekarbonisierungsstrategie endet 2020
Die Europäische Union hat neben den 20-20-20-Zielen (Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990, 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen, 20 Prozent mehr Energieeffizienz) bis zum Jahr 2020 auch Ziele für 2030 festgelegt: Eine Verringerung der CO2-Emissionen um 40 Prozent, mindestens 27 Prozent EU-Energie aus erneuerbaren Quellen, ein Plus bei der Energieeffizienz um 27 bis 30 Prozent sowie 15 Prozent Verbundbildung bei den Stromnetzen (d. h. 15 Prozent des in der EU erzeugten Stroms kann in andere EU-Länder exportiert werden). Das langfristige Ziel für 2050 ist eine Reduzierung von CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 (EU-Energiefahrplan 2050).
Die europäischen Vorgaben für Österreich "übersetzen" soll die österreichische Klima- und Energiestrategie, die aufgrund der vorgezogenen Neuwahl von der Regierung verschoben worden ist. Derzeit hat Österreich nur Ziele bis 2020 festgelegt. Umweltorganisationen und Energieexperten plädieren für ambitionierte konkrete kurz-, mittel- und langfristige nationale Etappenziele und Perspektiven bis 2050, die sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommens vom Dezember 2015 orientieren. Dort wurde beschlossen, die globale Erwärmung langfristig auf zwei Grad oder weniger zu begrenzen und eine Treibhausgasneutralität bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu erreichen.
Von Sylvia Maier-Kubala / APA-Science