Schmetterlinge zählen: Daten auf dem Prüfstand
Projektleiterin Ulrike Tappeiner vom Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck erzählt über das Sparkling Science-Projekt Viel-Falter.
APA-Science: Das Projekt, das sich mit dem Monitoring von Tagfaltern an 40 Standorten in Tirol beschäftigt, läuft jetzt seit zwei Jahren. Ziel ist unter anderem, eine anwenderfreundliche, wissenschaftlich korrekte und aussagekräftige Bewertungsmethode zur Erfassung von Schmetterlingshabitaten zu entwickeln, zum anderen, ein effizientes Erhebungssystem (Web-Plattform) für Habitate in Tirol zu entwickeln, das zukünftig österreichweit zur Anwendung kommen soll. Wie ist Ihr Resümee?
Tappeiner: Sehr positiv, was den Faktor Umweltbildung und Engagement von Schülern und Lehrern betrifft. Die Schüler wirken als Multiplikatoren, als Mediatoren, tragen ihr Wissen auch in die Familie und den Freundeskreis, das sorgt für eine große Breitenwirkung. Es werden ja immer mehrere Ziele verfolgt. Wir als Forschungsinstitution haben natürlich Forschungsergebnisse zum Ziel, aber eben auch Umweltbildung. Nach dem Motto "Was man kennt, lernt man eher schätzen" sollen Kinder und Jugendliche, die oft sehr urban aufwachsen, durch das konkrete Erleben und Beobachten ein stärkeres Verständnis für Zusammenhänge erlangen und so auch zu einer Verhaltensänderung beitragen. Im Idealfall verändern die erhobenen Daten langfristig auch Politik und Gesellschaft.
APA-Science: Bei Citizen Science-Projekten werden enorm viele Daten erhoben. Kann man damit immer etwas anfangen?
Tappeiner: Bei Citizen Science-Projekten mit Erwachsenen sind viele begeisterte Amateure dabei und geben ihre Daten ein - aber die Daten werden nicht genutzt. Das ist einerseits ein Big Data-Problem - wie kann ich diese Datenberge sinnvoll auswerten - andererseits stellt sich die Frage, wie gut die Daten von Laien tatsächlich sind. Dieser Frage geht auch das Viel-Falter-Projekt nach. Die Schulen suchten sich, leicht gesteuert, Erhebungsflächen in Schulnähe und die Klassen machten dort insgesamt 2.000 Erhebungen. Gleichzeitig nahmen auch Schmetterlingskundler und Ökologen dort Erhebungen vor, in Summe 100. Die spannende Frage ist, wie die Qualität der Datenerhebung der Schüler ist - noch läuft die Auswertung.
APA-Science: Warum haben auch Wissenschafter dort Daten erhoben?
Tappeiner: Die Daten wurden deshalb parallel von Forschern erhoben, weil sie mit den Daten ja etwas anfangen können sollen - ein Ziel von Citizen Science.
APA-Science: Was unterscheidet Kinder und Jugendliche von erwachsenen Bürgerwissenschaftern?
Tappeiner: Kinder und Jugendliche sind im Gegensatz zu Erwachsenen, die das im Lauf der Zeit verlernen, sehr gute Beobachter. Sie sind neugierig, leicht zu motivieren und lernen extrem schnell. Beispielsweise haben wir im Vorfeld eine Methodik entwickelt, um Schmetterlings-Artengruppen zu unterscheiden. Je nach Altersstufe wurde sie spielerisch eingeübt, für Volksschüler gab es etwa ein Memory-Spiel. Sie hatten die Kenntnisse rascher drauf als die Lehrer.
APA-Science: Gibt es auch Schwierigkeiten in Verbindung mit Citizen Science-Projekten?
Tappeiner: Citizen Science im Rahmen einer Schulkooperation ist mit einem enormen Einsatz und viel Unterstützung für die Schule verbunden. Für jede Klasse fanden zwei Workshops statt. Es braucht sehr motivierte Lehrer und eine begeisterte Direktion. Erschwerend wirken sich die vielen, nicht vermeidbaren Wechsel aus: Kinder der vierten Klasse Volksschule wechseln in die Mittelschule, Lehrer gehen in Pension oder verlassen den Standort. Hinzu kommen strukturelle Probleme: Während die Zusammenarbeit mit Volksschulen hervorragend funktioniert, weil sich die Organisation einfacher gestaltet, ist eine Projektmitarbeit in der Unterstufe schwer umzusetzen. Wenn die Biologiestunden immer Montags sind, und es aber am Montag regnet und erst Dienstag die Sonne scheint, können die Schüler am Dienstag trotzdem nicht Falter beobachten gehen.
Von Sylvia Maier-Kubala/APA-Science