Open Innovation - Öffnung als Kulturtechnik im Unternehmen
Nicht nur im Wissenschaftsbetrieb gibt es einen gewissen Trend zur Öffnung, auch und vor allem in der Wirtschaft macht man sich schon lange Gedanken darüber, wie Innovationsprozesse geöffnet werden können. Hinter "Open-Innovation"-Initiativen stehe oftmals die Befürchtung von Unternehmen, einen Markttrend zu versäumen und hinter der Konkurrenz zurückzufallen, erklärte der bei Siemens Österreich für Open Innovation und Scouting zuständige Experte Michael Heiss im Gespräch mit APA-Science. Nimmt man Open Innovation für voll, dann brauche es grundlegende Neuausrichtungen in der Unternehmenskultur.
Damit sich eine gegenüber Einflüssen von außen offenere Geisteshaltung in einem Unternehmen entwickelt, brauche es kontinuierliche Arbeit und Führungspersonen, die diesen Prozess entschieden vorantreiben, so Heiss. Eine Frage ist immer auch, durch welche Motivation eine solche Entwicklung angetrieben wird: Leider sei es oft die Angst, die klassische Industriebetriebe vor der Veränderung ihrer Geschäftsmodelle durch die "Macht der Crowd" haben. "Aus Angst getrieben zu agieren, ist aber nicht ideal", gibt der Experte zu bedenken.
Auch klassische Industrie vor Paradigmenwechsel
Dass sich hier etwas verändert, sei klar. Am Beispiel des US-Automobilherstellers "Local Motors", der bei allen Entwicklungsschritten auf Crowdsourcing- und Open Source-Ansätze setzt, sei das gut ersichtlich. Vermutlich hätte vor einiger Zeit noch niemand für möglich gehalten, dass so etwas in einem klassischen Industrie-Umfeld wie dem Autobau funktioniert. Viele, vor allem junge Unternehmen hätten eine so grundlegend andere Organisationsstruktur und -kultur geprägt, dass man tatsächlich von einem Paradigmenwechsel sprechen könne, wie Heiss ausführte. Der Versuch, eine solche Herangehensweise einfach zu übernehmen, wäre wohl zum Scheitern verurteilt.
Der Technologiekonzern Bosch teilte etwa kürzlich mit, dass das Unternehmen durch Verbesserungsvorschläge der eigenen Mitarbeiter in den vergangenen zehn Jahren 395 Mio. Euro weniger ausgegeben habe. Für besonders gute Ideen zahlt Bosch einzelnen Mitarbeitern bis zu 150.000 Euro Prämie. Auch bei Siemens läuft seit vielen Jahren ein Programm zur Förderung, Umsetzung und Prämierung von Mitarbeiterideen. 2013 wurden in diesem Rahmen österreichweit über 3.800 Vorschläge begutachtet. In Summe brachten sie einen berechneten Erstjahresnutzen von 9,15 Millionen Euro und für die Einreicher rund 568.000 Euro an Prämien, teilte der Konzern mit.
Um Ideen einzusammeln und Menschen mit konkreten Fragen, mit jenen, die potenzielle Lösungen dafür haben, zusammenzubringen, gebe es laut Heiss mehrere Möglichkeiten: Gezieltes internes "Crowd-Sourcing" betreibe man bereits seit 1999 mit einer eigens dafür entwickelten Online-Plattform. Ein externer Ansatz, der sich direkt an Konsumenten richtete, wurde 2012 im Rahmen des "Smart Grid Innovation Contest" ausprobiert.
Suche nach Impulsgebern auf Innovationsportal
Seit etwa einem halben Jahr sucht man mit gezielten forschungsnahen Ausschreibungen über ein Innovationsportal nach Unternehmen mit jeweils einschlägiger Expertise. Hier handle es sich um eine Art neuen Marktplatz für Ideen, wo schon sehr viele Player aus der Wirtschaft, aber auch immer mehr universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen präsent sind. Der Austausch dort funktioniere auch schon sehr gut, erklärte Heiss. Oft sei es sogar leichter, potenzielle externe Partner zum Mitmachen an einem Projekt zu bewegen, als "Interne dazu zu bringen zuzugeben, dass sie nicht alles selbst wissen".
Verbriefte Fairness könnte helfen
Wenn es daran geht, das Wissen von Organisationen und Einzelpersonen aus einer einschlägigen Community sinnvoll in einen Innovationsprozess zu integrieren, sei vor allem Fairness das oberste Gebot. "Unfair" zu sein könnte man sich laut Heiss "nur einmal" leisten: "Da reagiert die Community sehr sensibel drauf." Was nicht heiße, dass ein Teulnehmer sich nicht einmal doch übervorteilt fühlen kann, , wenn er oder sie die Randbedingunegn nicht vollständig versteht. Hier würden beispielsweise "Fairness-Siegel" für Open-Innovation-Prozesse helfen, die von unabhängigen Experten vergeben werden.
Noch heikler sei das Thema Fairness im Bereich "Business to Consumer" (B2C) - also bei der direkten Kooperation mit einzelnen interessierten Laien von außerhalb. Hier würden Fairness und Unfairness noch viel uneinheitlicher wahrgenommen. Das schränke auch das Potenzial solcher offener Prozesse ein. Vor allem, da der Aufwand hoch und der tatsächliche Nutzen im Hochtechnologie-Bereich schwer kalkulierbar sei. "Was nicht heißt, dass wir so einen Prozess nicht mehr starten werden", erklärte Heiss.