"Amateurastronomie: Viel mehr als nur in die Sterne gucken"
Astronomie ist eine Wissenschaft, die viele Menschen vom Kindesalter an fasziniert. Obwohl sie leicht nachzuvollziehen ist, genießt sie in unserem Bildungssystem nur eine marginale Rolle. Ehrenamtliche Vereinigungen können hier wichtige Lücken schließen.
Astronomie wird uns bei vielen Gelegenheiten bewusst: Im Wechsel von Tag und Nacht und der Jahreszeiten, im Lauf des Mondes; sie weckt unser Interesse bei markanten Ereignissen wie einer Sonnenfinsternis; bei bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen oder Missionen, wie etwa Rosetta zum Kometen Churyumov-Gerasimenko; oder dient als Rahmen für epische Science Fiction à la "Interstellar", die uns mit mehr oder weniger fachlicher Korrektheit unseren Platz im Universum vor Augen führt.
Kaum eine Wissenschaft hat aber, in Widerspruch zu diesem allgemeinen Interesse an der Thematik, einen geringeren Stellenwert in unserem heutigen Bildungssystem als Astronomie. In den Schulen tritt sie, von ganz wenigen Initiativen engagierter Pädagogen einmal abgesehen, als Randnotiz des Begriffs "Science" auf. Dieser wird im angloamerikanischen Sprachraum mit Naturwissenschaften, bei uns viel allgemeiner mit Wissenschaft an sich assoziiert und dient als Sammelbecken für alles, was im Schülerjargon abwertend als Lerngegenstand bezeichnet wird.
Astronomische Forschung ist elementarer Bestandteil der Grundlagenforschung und als solcher Teil der Menschheitskultur. Sie erfordert aufwendige und kostspielige Einrichtungen, die nur mehr in internationaler Zusammenarbeit realisierbar sind. Universitäten brauchen interessierten Nachwuchs an neugierigen Forscherinnen und Forschern, woher soll dieser ohne Bildungsanreiz kommen? Und: Woher soll die Akzeptanz für diese Grundlagenforschung ohne Verständnis für sie kommen?
Zwischen einer breiten, interessierten Öffentlichkeit und den Bedürfnissen der Forschung klafft eine große Lücke. Volksbildnerische Einrichtungen wie Planetarien und Volkssternwarten können diese nur zum Teil schließen. Sie können die erste Neugier stillen, meist aber nicht alle Bedürfnisse befriedigen - zu individuell, zu speziell sind hier die einzelnen Interessen, zu klein die konkreten Interessensgruppen.
Dieser Brückenschlag gelingt ehrenamtlichen astronomischen Organisationen wie der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA), die die Verbreitung und Vertiefung astronomischen Wissens in der Bevölkerung zum Ziel hat.
Einstiegspunkte für Interessierte sind hier öffentliche Sternabende und Veranstaltungen, in denen aktuelle astronomische Themen zielgruppengerecht aufbereitet werden. Im Gegensatz zu einem abgeschlossenen Programmangebot liegt hier der Schwerpunkt darin, Interessierte an ihrem Wissenstand abzuholen, für die Wissenschaft zu begeistern und sie bei ihrer individuellen weiteren Entwicklung zu begleiten.
Hier wird Astronomie zur Freizeitbeschäftigung. Als Kontrast zum hektischen Berufsleben ist sie sehr gut geeignet. Wer den Himmel beobachtet oder fotografiert, tut dies im Freien und in Ruhe. Es ergibt sich ein wichtiger Effekt: Menschen, die Freude an der Astronomie haben, geben diese im Kreis ihrer Freunde, Verwandten und Bekannten weiter. So wird eines der Mankos unseres Bildungssystems wettgemacht: Sie werden zur Lobby für die Wissenschaft von den Sternen.
Die Anschaffung eines eigenen Fernrohrs kann ein nächster, oftmals falsch eingeschätzter Schritt sein. Ja, mit einem verhältnismäßig preiswerten Instrument (der Einstieg in die Amateurastronomie ist im Regelfall billiger als der Einstieg in einen Freizeitsport) ist es möglich, die Entdeckungen von Galilei, Kepler oder Newton teilweise nachzuvollziehen. Doch was dann?
Bleiben wir beim Vergleich mit dem Sport. Ein Fahrrad macht noch keinen Sieger der Tour de France. Es gilt, die Technik zu erlernen und dann zu trainieren. Dazu bedarf es guter Trainer und kleiner Trainingsgruppen bis hin zur Einzelbetreuung - auch in der Freizeitastronomie. Dies können ehrenamtliche Arbeitsgemeinschaften am effektivsten leisten.
Dem eigenen Forschungsdrang sind praktisch keine Grenzen gesetzt (außer materielle). Wie in kaum einer anderen Naturwissenschaft zählen wissenschaftliche Institutionen auf die Mitarbeit von Amateuren; das Sammeln jener unzähligen Daten, die letztlich die Grundlage für das Bestätigen oder Verwerfen einer Theorie bilden, ist eine wichtige Aufgabe für organisierte Gruppen von Freizeitbeobachtern. So werden ehrenamtliche Arbeitsgemeinschaften zu einem Teil der weltweiten Forschung.
Der Bogen spannt sich also vom ersten neugierigen Kontakt bis zum Freizeitforschertum. Und weiter: Denn die Lücken in unserem Bildungssystem werden natürlich auch ausgenützt, um Pseudowissenschaft und Aberglaube zu stärken. Dem kann nicht mit Gegenargumenten begegnet werden, sondern nur auf eine einzige Art: Durch Verbreitung von Wissen auf einer soliden Basis.