"Viele Hobbyornithologen sind eigentlich Experten"
Viele erfolgreiche Citzien-Science-Projekte werden von Wissenschaftlern geplant und nach der Durchführung auch ausgewertet, aber von Personen in ihrer Freizeit durchgeführt. Diese Konstruktion ist sehr kosteneffizient, da - besonders in der heutigen Zeit der andauernden Budgetknappheit - auch groß angelegte Projekte mit bescheidenen Mitteln durchgeführt werden können.
Die im Deutschen dafür verwendeten Namen "Amateurwissenschaft" oder "Laienmonitoring" haben einen leicht negativen Beigeschmack, da mit Amateur oder Laie jemand gemeint ist, der wenig von einer Sache versteht. Dem ist nicht so, ganz im Gegenteil: viele Hobbyornithologen verbringen ihre Freizeit regelmäßig draußen und haben ein sehr großes Wissen in der Vogelbestimmung. Auf dieses Wissen können wir uns auch bei anspruchsvollen Programmen wie dem Brutvogel-Monitoring stützen. Aus den jährlichen Zählergebnissen von etwa 170 Personen aus ganz Österreich werden Bestandsveränderungen häufiger heimischer Brutvögel berechnet. Auch der Farmland Bird Index, ein Indikator zum Zustand der Vogelwelt in der Agrarlandschaft, wird daraus abgeleitet. Hier müssen die MitarbeiterInnen nicht nur die Zählvorgaben genau einhalten (Zeitraum, Dauer, Ort), sondern darüber hinaus sollten die häufigen heimischen Brutvögel sowohl anhand äußerer Merkmale, als auch anhand ihrer Stimme (Gesang, Rufe) erkannt werden. Besonders letzteres bedarf einiger Übung. Für einen unbeteiligten Zuseher ist das Bestimmen eines unscheinbaren, vorbeifliegenden Vogels anhand eines kurz geäußerten Rufes kaum nachvollziehbar. Doch viele Lautäußerungen sind arttypisch und erlernbar. Wer darin noch kein Experte ist, der kann es werden: Zum Erlernen und Verbessern der Bestimmungskenntnisse bietet BirdLife Österreich seinen Mitgliedern regelmäßig Führungen, Vorträge und Auslandsexkursionen an.
Die Mitglieder von BirdLife sind es auch, die unsere Citizen-Science-Projekte tragen. Oft nimmt eine Person gleich an mehreren Programmen teil. Die Beziehung zwischen Vogelkunde und ehrenamtlichen HelferInnen wird im Englischen sehr treffend mit "Purposeful Birdwatching" beschrieben. Locker könnte man das als "Vogelbeobachten mit Mehrwert" übersetzen. Der Mehrwert entsteht dabei auf beiden Seiten: für die Wissenschaft werden Daten gesammelt, die ohne große Geldmittel sonst nicht aufzutreiben wären, und für den ehrenamtlichen Zähler bleibt das Gefühl, mit einer gerne gemachten Freizeitbeschäftigung gleichzeitig etwas sinnvolles getan zu haben, nämlich zur Erforschung und damit auch zum Schutz der Vögel beigetragen zu haben.
Neben dem Wissen um den Sinn der Zählungen bekommen die MitarbeiterInnen auch regelmäßig Feedback. Was sind besonders spannende Ergebnisse? Wie viele Leute haben mitgemacht? Welche besonderen Arten wurden entdeckt? Gibt es auffällige Entwicklungen wie z. B. starke Zu- oder Abnahmen? Hier sind auch die neuen Medien eine große Hilfe. Bei einem anderen aktuell laufenden Projekt, dem österreichischen Brutvogelatlas, können Daten nicht nur via Internet gemeldet werden, sondern der tagesaktuelle Datenstand kann dort auch eingesehen werden. Man ist tatsächlich live dabei wie der Wissensstand wächst und wächst, sich also in diesem Fall die Österreich-Karte mit den Nachweisen der Brutvögel füllt.
Vögel sind halbwegs leicht erkennbar, ihre Vielfalt ist recht groß, aber gleichzeitig überschaubar (ca. 400 Arten kommen in Österreich vor), sie sind oft bunt, zeigen spannende Verhaltensweisen, sie sind aus menschlicher Sicht "süß" - kurzum, sie sind Sympathieträger auf vielen Ebenen. Wenn man Vögel mag, dann beschäftigt man sich mit ihnen. Das Engagement bedeutet oft nicht nur die Beteiligung an Citizen-Science-Projekten, sondern man möchte auch etwas tun, um sie zu fördern oder zu schützen. So spannt sich der Bogen vom Interesse an Vögeln über das Ansammeln von Wissen um diese Tiergruppe bis hin zur Umsetzung, zum Beispiel im eigenen Garten: Nisthilfen werden montiert, beerentragende Früchte gepflanzt, ein Teil des Gartens wird weniger oft gemäht oder im Winter werden Futterhäuschen aufgestellt. Dieses Bewusstsein in der Bevölkerung ist auch notwendig, wenn wir unsere Vogelwelt langfristig erhalten wollen: der oben erwähnte Farmland Bird Index zeigt, dass die häufigen Kulturlandschaftsvögel seit 1998 um gut 35 Prozent weniger geworden sind.