"Industrienation Korea im Vorfeld einer Energiewende"
Koreas Exporte wachsen ungebrochen seit Jahren, ebenso die Wirtschaftsleistung und das Bruttosozialprodukt mit einem bis drei Prozent über den Werten von anderen Industrienationen. Im Jahr 2013 betrug der seit Jahren wachsende Außenhandelsüberschuss Koreas 44 Mrd. US-Dollar.
Diese Erfolge haben mehrere Gründe, wobei eine Konstante der Politik aller bisherigen Regierungen das Anstreben günstiger Energiepreise darstellt. Alle großen Stromversorger sind zum großen Teil in Staatsbesitz.
Klimaveränderung und Klimaschutz werden insbesondere unter der jetzigen Regierung nicht als übergeordnetes Thema behandelt. Zwar hat Korea das Kyoto Protokoll ratifiziert, ist aber kein Annex I Land und somit auch nicht zur CO2-Einsparung verpflichtet. Korea hat ein Energieeinspeisegesetz in Anlehnung an das deutsche Modell, die Chancen für die Wirtschaft hieraus werden noch nicht genutzt.
Die Energieversorgung Koreas im Bereich der Primärenergie beruht nach wie vor auf Kohle, Erdgas, Erdöl und Kernenergie. Korea importiert ca. 97 Prozent aller Energie, der Anteil der erneuerbaren Energien wie Wasserkraft, Wind und Solar belaufen sich auf weniger als zwei Prozent. Korea ist heute weltweit gesehen z.B. der zweitgrößte Importeur bei Erdgas.
In den Jahren 2010 bis 2014 spitzte sich die Lage Koreas aufgrund stark gestiegenen Stromverbrauches in der Wirtschaft und in privaten Haushalten zu, dergestalt, dass es zur Versorgungsengpässen kam.
Vor diesem Hintergrund ist es nachzuvollziehen, dass die Regierung unter Park Gyug Hae (2013) die Versorgungssicherheit als Priorität ihrer Energiepolitik setzte, leider mehr oder weniger als einziges Ziel.
Die Kernpunkte des Programms lassen sich wie folgt vereinfacht darstellen.
a. Bis zum Jahr 2035 wird mit wachsendem Energieverbrauch gerechnet, allerdings soll das Wachstum durch Maßnahmen auf jährlich unter zwei Prozent gehalten werden.
b. Das mehr an Energie soll durch effizientere Anlagetechnik mit geringerem CO2-Ausstoß in Kombination mit einem Mehr an grüner Energie erbracht werden.
c. Der Energiemix aus Atomkraft und fossilen Energieträgern wird in ähnlichem Verhältnis in die Zukunft fortgeschrieben.
d. Bis 2035 soll der Anteil der grünen Energie auf elf Prozent relativ zur eingesetzten Primärenergie ansteigen. (nach koreanischer Definition der grünen Energie enthalten die elf Prozent ca. vier Prozent Energie aus Abfallverwertung)
e. Grüne Energie ist in einem Energieeinspeisegesetz geregelt und priorisiert, grüne Energie ist aber nicht mit fixen Tarifen ausgestattet.
f. Stromversorger haben einen wachsenden Anteil von grüner Energie im Mix anzubieten.
Der Anteil von ca. zwei Prozent heute soll auf elf Prozent bis zum Jahre 2035 steigen.
Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Pro-Kopf-Verbrauch eines Koreaners bei günstigerem Klima und kürzeren Dimensionen innerhalb des Landes über dem eines Mitteleuropäers liegt, ähnliches gilt für den Pro-Kopf-CO2-Ausstoß. Besonders ungünstig ist die heutige Energieeffizienz einzuschätzen, zur Erwirtschaftung eines US-Dollars im Bruttoinlandsprodukt benötigt Korea ca. 50 Prozent mehr Energie als eine vergleichbare Volkswirtschaft in Europa.
Korea und Europa verbindet ein Freihandelsabkommen. Es stellt sich aber die Frage, ob auf Dauer mit wachsenden Warenströmen aus Korea in die EU auch ein wachsender CO2-Import mit in Kauf genommen werden kann, oder ob nicht die Politik gefordert ist, den Import von latentem CO2 zu begrenzen.
Korea ist heute an zweiundzwanzigster Stelle weltweit, was den CO2-Ausstoß pro Kopf anbelangt, dies ist beträchtlich, da die Bevölkerung bereits die 50-Mio.-Einwohnerschwelle überschritten hat. Zum Vergleich aus 210 Nationen; t/Kopf 2013, (Ranking):
USA: 16,5 (12); Korea: 12,3 (22); Japan 9,5 (34); Deutschland: 9,4 (36); Österreich 7,35 (43); China 5,3 (59)
Mit den Maßnahmen der heutigen Politik ist eine Tendenz zur Stabilisierung des Trends bei Treibhausgasen nicht zu erwarten. Tendenziell werden ebenso die Anreize stärker sein, um in Korea Energie und CO2 sparende Technologien zu entwickeln. Strategisch plant Korea Energietechnologie und wirtschaftliche Entwicklungschancen zu verknüpfen, insbesondere dann, wenn diese - auch grüne Technologie - wirtschaftlich ist.
Ein großes Arbeitsgebiet öffnet sich für ausländische Unternehmen und Investoren, wenn es z.B. um den Bau von Biogasanlagen zur Verwertung von Lebensmittelabfällen geht, hier gibt es ein Potenzial von ca. 14.000 Tonnen pro Tag.
Dies entspricht einem Anlagenpotenzial von mindestens 100 neuen Biogasanlagen in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit hoher Profitabilität für Investoren durch Einnahmen aus Stromverkauf und sehr hohen Verwertungsgebühren bei der Annahme von Abfällen. Städte und Gemeinden haben ein wachsendes Problem mit diesen wachsenden Abfallmengen, zumal die Kapazitäten bei Mülldeponien immer kleiner und teurer werden.
Ein anderer Lichtblick ist in Korea bei Passivhäusern auszumachen, die im privaten Bereich vermehrt angefragt werden. Ein eigenständiges auf das Klima angepasstes Konzept fehlt zu Preisen, die auf einem erträglichen Niveau liegen.
Im öffentlichen Bau soll vermehrt Energie gespart werden, hier bieten sich die Anlagenkonzepte für kleine BHKWs (Block-Heiz-Kraftwerk) an - besonders im Sommer, wenn mit Abwärme oder mit solarer Energie Kühlleistung erbracht werden kann.
Insbesondere thermische Solarkollektoren sind in Korea so gut wie nicht auszumachen, hier besteht ein regelrechter Nachholbedarf.
In der Bevölkerung sind erste Anzeichen einer Energiewende von unten zu erkennen. Mehr und mehr kann man in Seoul E-Bikes und E-Roller auf der Straße ausmachen, Koreaner sind Weltmeister bei der Mülltrennung,
Last not but least: Korea verfügt über eine fast völlig ungenutzte Quelle von erneuerbarer Energie, im Prinzip eine Chance für internationale Investoren und Technologiekonzerne. An der Westküste mit relativ flachen Wattenmeeren herrschen intensive nutzbare Strömungsverhältnisse. Die starke Tide von sechs bis neun Metern ist prinzipiell für Strömungskraftwerke geeignet. Korea hat auf diesem technischen Gebiet noch keine eigenen Entwicklungen vorangetrieben.
Weitere Lichtblicke sind in Korea jedoch schon jetzt auszumachen, erste Anzeichen einer Energiewende von unten sind vorgezeichnet. Einige NGOs und Städte, z.B. Seoul haben sich dieses Themas angenommen und entfalten verstärkte Aktivität. Im Bereich des privaten Hausbaus werden vermehrt Passivhäuser nachgefragt, mehr und mehr gewinnt E-Mobilität an "Drive", nicht zuletzt staatlich gefördert - und, nicht zu vergessen: LEDs sind auf dem Vormarsch.
Eine vermehrte internationale Zusammenarbeit zwischen Technologiefirmen wäre mehr als willkommen, um eine spürbare und nachhaltige Energiewende und CO2-Einsparungspolitik parallel zur augenblicklichen Politik ins Leben zu rufen. Dies wäre technisch und geografisch leicht realisierbar, da Korea über ein gute Infrastruktur verfügt und hervorragende Klimadaten und solare Einstrahlungsraten aufzuweisen hat, die wesentlich günstiger als die von Mitteleuropa sind.