"Werden die USA das neue Role Model für Energie?"
Nicht die Energiewende Deutschlands, sondern die Innovationskraft der USA signalisieren die Zukunft des Umgangs mit Energie. Diese Aussage erscheint angesichts eines Vergleichs mit Europa gewagt. Weiterhin befinden sich in den USA die erneuerbaren Energien erst in der Startphase und die Intensitäten bei der Nutzung von Energie und bei den Emissionen von Treibhausgasen liegen um mehr als das Doppelte über den europäischen Werten. In den USA ist aber der konstruktive Umgang mit den tektonischen Brüchen im Energiesystem deutlicher sichtbarer als anderswo. Drei Personen dienen dazu als Navigationshilfen.
David Crane ist CEO von NRG Energy, eine der größten US-amerikanischen Energieunternehmungen, die gut ein Drittel der Bevölkerung der USA mit Elektrizität versorgen kann. In einem inzwischen legendär gewordenen Brief an die Aktionäre hat David Crane seine Strategie zur Veränderung seiner Unternehmung ausgebreitet. Demnach wird NRG Energy nach einem teuren Ausstieg aus einem Nuklearenergieprojekt keine Großkraftwerke mehr bauen sondern nur mehr bei den Endkunden investieren. Dies werden Investitionspakete für Haushalte und Unternehmungen sein, die Photovoltaik samt neuen Cogeneration-Technologien auf immer kleineren Skalen integrieren. Die nächsten Transformationsetappen sind Mikro-Netze und Business-Modelle, die nicht mehr auf dem Verkauf von Energie sondern auf der Bereitstellung von Dienstleistungen basieren, wie für die Temperierung der Räume oder die Verfügbarkeit von Mobilität. Amazon, Apple, Facebook und Google sind für NRG Energy die Vorbilder bei Innovation und Kundenorientierung.
Elon Musk will nicht nur mit Tesla Motors attraktive Elektroautos bauen und mit SpaceX die Weltraumfahrt um eine Zehnerpotenz kostengünstiger machen. Das Energiesystem mischt er über die Unternehmung SolarCity für Photovoltaik und mit der Tesla Powerwall für die Speicherung von Elektrizität in den Haushalten auf. Diese innovative Speichertechnologie könnte den Beginn von ganz neuen Netzstrukturen für Elektrizität bedeuten, wenn immer mehr Endkunden immer weniger Leistungen des Netzes in Anspruch nehmen. Attraktiv an der für ein Jahr ausverkauften Tesla Powerwall ist der niedrige Preis und eine Garantie über zehn Jahre.
Barack Obama hat trotz einiger Kompromisse mit der fossilen Energieindustrie mit dem "Clean Power Plan" und dem "Clean Energy Incentive Program" den weitesten Reformschritt eines Präsidenten der USA im Bereich Energie und Klima gesetzt. Für die Europäische Union ist daraus zu lernen, dass nicht nur Ziele im Sinne eines Auflegens von Messlatten sondern auch Maßnahmen im Sinne eines Trainingsprogramms zu setzen sind, um den Sprung über die Messlatte auch zu schaffen. Eine weitere Lektion betrifft die Bereitschaft zur politischen Kontroverse, die im Bereich Energie aufgrund der Interessenskonflikte unausweichlich ist.
Was könnten diese Signale aus den USA für Österreich bedeuten? In Kürze dazu einige auf den ersten Blick als provokativ erscheinende Orientierungen. Erstens, sich von der Bezeichnung Energiewende zu verabschieden, denn damit wird eine wohl für Deutschland mutige, für Österreich jedoch eher nachrangig einzustufende Energiestrategie suggeriert. Zweitens, die großen im Energiesektor tätigen Unternehmungen aufmerksam zu machen, dass sie im eigenen Interesse selbst Initiativen zur Innovation setzen könnten und ein Warten auf politische Entscheidungen auf der Ebene der Europäischen Union eher verlorene Zeit bedeutet. Drittens, den politischen Instanzen - vom Bürgermeister bis zum Landeshauptmann und den Ministern - Mut zu machen, Energie nicht als ein Tabu aus der politischen Diskussion auszuklammern.
Noch sieht die energiepolitische Realität aber anders aus. Die EU-Kommission startet mit ihren Vorschlägen für eine Energie-Union einen aussichtslosen Rettungsversuch für die überkommenen Strukturen des derzeitigen Energiesystems. Eine der wenigen energiepolitischen Initiativen der österreichischen Bundesregierung, das Energieeffizienzgesetz, trägt das Stigma von inhaltlicher Wirkungslosigkeit und bürokratischem Ballast.
Ein vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) beauftragtes und vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung koordiniertes Forschungsprojekt über Energieperspektiven für Österreich zeigt auf, wie die Umrisse eines auf Innovation und Zukunftsfähigkeit getrimmtes Energiesystems aussehen könnten: Gebäude würden weitgehend energieautonom und Mobilität völlig neu konzipiert werden; die absehbaren und mit Energie verbundenen Dienstleistungen könnten mit der Hälfte der derzeitigen Energiemengen bereitgestellt werden; davon kämen vier Fünftel aus Erneuerbaren und Elektrizität wird zum wichtigsten Energieträger. Grund zum Nachdenken und vielleicht ein Schlüssel zum Verständnis des Stillstandes der österreichischen Energiepolitik ist der vom angesprochenen Ministerium auf der Dokumentation dieses Forschungsprojektes angebrachte Vermerk: "Die Ergebnisse und die in dieser Studie angewendete Methode geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht den Ergebnissen anderer vom BMWFW beauftragten Studien."