"2015 - Das Ende der Energiewende"
Ist der Titel unserer Session bei den diesjährigen Alpbacher Technologiegesprächen "2015: Das Ende der Energiewende" wirklich ernst gemeint? Durchaus, dieser Titel ist sehr wohl ernst gemeint und bewusst so formuliert. 2015 ist jetzt, nicht erst in 10, 20 oder gar 50 Jahren - das erhöht den Druck, denn die Entscheidung fällt jetzt, nicht erst in einigen Jahren, ein Hinausschieben wäre fatal. Das Ende der Energiewende - ohne Fragezeichen: Das fehlende Fragezeichen erhöht den Druck auf den Leser weiter bzw. auch das Unwohlsein bei dem Gedanken, es könnte bereits zu spät sein.
Außerdem sind viele Aspekte der Energiewende bereits seit Jahrhunderten bekannt: Einer drohenden Rohstoffknappheit etwa wurde in Schottland bereits 1563 gesetzlich entgegengewirkt, an der Erhöhung der Energieeffizienz wird seit der Erfindung der Dampfmaschine kontinuierlich geforscht und auch die Gefahr des Klimawandels wurde bereits vor 120 Jahren erkannt. Man kann das Ende der Energiewende daher auch so sehen, dass wir möglicherweise die Wende bereits geschafft haben - auch das wäre das Ende der Wende, allerdings in positiver Hinsicht. Und so absurd ist dies auch nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass in Europa bereits mehr Energie aus Windkraft als aus Atomkraft bereitgestellt wird.
Die Behandlung des Themas "Energie" ist nicht isoliert möglich, da es sich um einen riesigen Fragekomplex handelt, in dem verschiedenste Fachbereiche mitberücksichtigt werden müssen. Ein Beispiel: Zur Sicherung der Rohstoffversorgung werden Recyclingquoten immer weiter nach oben geschraubt - dies bedeutet aber, dass in den meisten Fällen damit auch der Energieverbrauch deutlich zunimmt, das Rohstoffproblem kann also das Energieproblem sogar noch verschärfen; d.h. Recycling ist nur dann nachhaltig, wenn die dafür benötigte Energie nachhaltig und ausreichend zu Verfügung gestellt oder durch ein intelligentes Sammelsystem und Produktdesign reduziert werden kann. Auf der anderen Seite sieht man, dass aufgrund veränderter technischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Reichweite der Energierohstoffe über Jahre gleich geblieben ist bzw. sogar weiter steigt.
Dies bedeutet, dass nicht die Endlichkeit der fossilen Energieträger das Nadelöhr darstellt, sondern vielmehr die maximale Belastbarkeit der Atmosphäre mit Treibhausgasen, z.B. CO2. Der Klimawandel aufgrund des Treibhauseffektes wird heute praktisch von niemandem mehr geleugnet. Aufgrund des Klimawandels werden einerseits manche Gebiete unbewohnbar und andererseits werden Industriebetriebe ihre Standorte dorthin verlegen, wo auch künftig ausreichend, wirtschaftlich und nachhaltig die erforderliche Energie bereitgestellt werden kann - die Folge davon sind Migrationsströme. Für die Lösung dieser komplexen Fragestellung sind also alle Fachbereiche gefordert, nicht nur die technischen.
Am Department für Umwelt- und Energieverfahrenstechnik mit seinen vier Lehrstühlen befassen wir uns vor allem mit der energieintensiven Industrie, beispielsweise mit der Möglichkeiten fossile Energieträger durch nachhaltige Energieträger zu ersetzen; wir beschäftigen uns mit der Steigerung der Energieeffizienz einzelner Anlagen, aber auch großer industrieller Systeme bis hin zu ganzen Regionen. Und da für einen sinnvollen optimalen Einsatz erneuerbarer Energiequellen auch die Speicherung derselben essenziell ist, gibt es auch dazu eine Reihe von Forschungsprojekten.
Ganz wesentlich ist allerdings die Ausbildung unserer Studierenden im Bereich energietechnischer Fragestellungen. Deswegen wurde vor fünf Jahren das Masterstudium "Industrielle Energietechnik" an der Montanuniversität Leoben ins Leben gerufen und vor drei Jahren durch ein entsprechendes Bachelorstudium ergänzt. Dieses Studium bietet eine hervorragende Ausbildung und ist eine ausgezeichnete Basis, um zur Lösung der Energieproblematik beizutragen.
In den vergangenen Jahren wurden in vielen Forschungsbereichen weltweit bereits riesige Fortschritte im Bereich Umwandlung, Verteilung und Speicherung von Energie erzielt, die vor allem in der Industrielandschaft Europas schon eine breite Umsetzung erfahren. Eine am Lehrstuhl für Thermoprozesstechnik der Montanuniversität Leoben durchgeführte Dissertation hat Faktoren untersucht, welche die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen sowie den Umstieg auf erneuerbare Energieträger am meisten beeinflussen. Es ist nicht überraschend, dass sich die Politik als einflussreichster Faktor herausgestellt hat. Durch eine geeignete Forschungsförderung werden energierelevante Themen gezielt weiterentwickelt, durch eine geeignete Gesetzgebung kann die Einführung und Umsetzung alternativer Methoden beschleunigt werden - hier orte ich allerdings noch einen großen Handlungsbedarf.