Weizsäcker fehlt noch kräftige Effizienzkomponente
Die Energiewende ist im vollen Gang, von Ende kann keine Rede sein, korrigiert Ernst Ulrich von Weizsäcker, deutscher Physiker und Buchautor (Faktor Fünf) anlässlich der Alpbacher Technologiegespräche (27. bis 29. August) den Titel der Session "Das Ende der Energiewende", an der er teilnimmt. "Im Gegenteil, wir sind erst mitten drin", meint er im Gespräch mit APA-Science.
"Die alte Struktur mit zentralisierten Stromgiganten geht zu Ende. Die erneuerbaren Energien dringen weltweit vor. Was noch fehlt, ist eine kräftige Effizienzkomponente. Wir vergeuden immer noch Energie ohne Ende", fasst er seine Sicht zusammen. Es müsse diesbezüglich noch ein massives Umdenken geben, da habe sich in den vergangenen Jahren nicht viel geändert. In dem Punkt kommen die großen Versorger bei Weizsäcker nicht gut weg: "Die haben das Strom- und Energievergeuden direkt gefördert. Elektrische Fußbodenheizungen zum Beispiel hatten lediglich den Zweck, die Menschen zu mehr Stromverbrauch zu verleiten."
Energieeffizienz ist in seinen Augen hauptsächlich eine dezentrale "Geschichte". Ein Vorantreiben von Passiv- und Niedrigenergiehäusern würde auch in so heißen Sommern wie dieses Jahr den Stromabsatz nicht in die Höhe treiben. "Im Winter heizen, im Sommer kühlen, das wird dann Energiebedarf genannt. Das ist aber eigentlich 'Energieverschwendungsbedarf', statt auf vernünftige Baualternativen zu setzen", sieht er besonders die Tendenz in den USA als besorgniserregend an.
Wenig begeistert ist er auch davon, was so an Gesetzen zur Energieeffizienz in Europa passiert. Das österreichische Energieeffizienzgesetz (EEffG) etwa nennt Weizsäcker ein bürokratisches Monster: "Da versucht der Staat Ingenieur zu spielen. Schließlich sind alle verärgert und schimpfen auf die Energieeffizienz statt auf die Bürokratie. Die Intention der Brüsseler Effizienzrichtlinie ist eigentlich positiv, nur die Umsetzungen sind stümperhaft."
Den Ansatz, dass österreichische Versorger gesetzlich verpflichtet sind, jährlich im Ausmaß von 0,6 Prozent der im Vorjahr an inländische Kunden gelieferten Energie Einsparmaßnehmen zu setzen, stuft Weizsäcker als vernünftig ein. Als Manko sieht er, dass derartige Prozentverpflichtungen viel "Papier produzieren", verweist er auf alternative Ansätze in den USA. "Kalifornien ist vor Jahren einen ähnlichen Weg gegangen. Dort hat man die Anreize anders gesetzt. Man hat gesagt, ihr (die Energieversorger) dürft erst ein neues Kraftwerk ans Netz bringen, wenn der Bau billiger ist als kundenseitige Effizienzmaßnahmen", umreißt der Wissenschafter. Damit mussten die Versorger sich dienstleistungsseitig umsehen, wie sie ihr Geld verdienen. Allein über den Verkauf von Energie sei das nicht mehr möglich. "Das ist ein richtig materieller Ansatz, das funktioniert bei gewinnorientierten Konzernen zwangsläufig", meint Weizsäcker.
Einen "Königsweg" stellt für ihn die Verteuerung der Energie dar, nämlich im Gleichschritt mit den Effizienzgewinnen - im Idealfall für den Kunden ein Nullsummenspiel. "Wie ich schon lange vorschlage, sollte die Verteuerung so schnell wie der durchschnittliche Effizienzgewinn zulegen. Dann haben alle Leute dezentral Interesse daran, effizient zu werden. Auch ein Sozialtarif wäre dann noch möglich", so Weizsäcker.
In der Arbeitsproduktivität sieht er eine Analogie zur Energieeffizienz. "Seit der Zeit Karl Marx' hat sich die Arbeitsproduktivität rund verzwanzigfacht, also die Menge Wohlstand, die man aus eine menschlichen Arbeitsstunde herausholt. Warum sollte das bei der Energieproduktivität nicht auch möglich sein", erklärt Weizsäcker.
von Hermann Mörwald/APA-Science