Speicher: Große Lösungen braucht es ab 2030
Der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion muss nicht auf neue Speichertechnologien warten. Das hat der deutsche Think-Tank Agora Energiewende 2014 in einer Studie postuliert. Die Wende wird sich demnach dann um 2030 einstellen. Das wird von vielen Experten weitgehend unterschrieben. Die Technische Universität Wien hat sich ihrerseits das Potenzial der Wasserkraft als Stromspeicher angeschaut.
Bis 2030 kann laut den deutschen Forschern die nötige Flexibilität im Stromsystem durch andere Optionen wie einem flexiblen Kraftwerkspark und entsprechendem Lastmanagement bereitgestellt werden. "Im Moment gibt es signifikante Überkapazitäten im europäischen Strommarkt, somit auch genügend Flexibilitäten. Ein zusätzlicher Speicherausbau würde die Kosten des Ausbaus der Erneuerbaren nur erhöhen", erklärt dazu Christian Redl von der Agora Energiewende. Das gelte für die nächsten rund 10 bis 20 Jahre, dann werde man "in einer Welt sein, wo die Erneuerbaren 60 Prozent am europäischen Stromsystem ausmachen." Dann werden neue Speicher benötigt. Gleichzeitig müsse sektorübergreifend gedacht werden. Welche Rolle spielt die Elektromobilität, welche die Integration des Strom- und Wärmesektors oder aber auch, kann Power-to-Heat - die Erzeugung von Wärme unter Einsatz von Strom - eine Schlüsseltechnologie werden?
An Pumpspeichern führt in Österreich kein Weg vorbei
Pumpspeicherkraftwerke spielen schon jetzt eine zentrale Rolle in der bestehenden Struktur, was auch länger so sein wird. Sie tragen schon seit geraumer zur Effizienz des Systems bei, erklärt Gerhard Totschnig vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien, Autor der Studie "Wasserkraft als Energiespeicher: Stromspeicher-Potentialentwicklung bis 2050". "Sie reduzieren die Stromerzeugungskosten und Preise. Thermischen Kraftwerke können dank der Pumpspeicherkraftwerke gleichmäßiger fahren bei weniger Kosten und Emissionen", fasst er die Vorteile zusammen.
Die TU Wien hat im angesprochenen Projekt "Stromspeicher 2050" untersucht, wie die CO2-Emissionen im Stromsystem von Österreich und Deutschland um 80 bis 90 Prozent reduziert werden könnten. Die Ergebnisse zeigen laut Totschnig, dass starke CO2 -Emissionsreduktionen in der Strom- und Wärmeerzeugung technisch und ökonomisch bei moderaten Kosten machbar sind. "Dabei ist die Speicherung von Strom nicht, wie oft geglaubt, eine große noch ungelöste Frage, sondern das Ermöglichen von Speicherausbau führt in den simulierten Szenarien 2050 zu einer Reduktion der Stromgestehungskosten um drei bis vier Prozent", so Totschnig.
Die eigentliche Herausforderung ist seiner Ansicht nach nicht technischer oder ökonomischer Natur, sondern die politische und gesellschaftliche Organisation des Energiesystemumbaus. Dieser beeinflusse teilweise massiv die Geschäftstätigkeit der Energieunternehmen und erfordere Änderungen in der Strommarktorganisation sowie in der Ausgestaltung von Energiesteuern und Netzgebühren. Die große Herausforderung sei es, den erforderlichen hohen Ausbau an Windenergie und Solarenergie gemeinsam mit der Energieeffizienz weiter voranzutreiben.
Eine wichtige Forschungsfrage ist für Totschnig die gemeinsame Simulation und Optimierung der Stromnetze und der Stromerzeugung im zukünftigen Stromsystem. Momentan sind die Stromnetze oder die Kraftwerke noch vereinfacht abgebildet.
Power-to-Heat hat Potenzial
Auf die Frage, ob Power-to-Heat mittelfristig ein Thema ist, meint der Wissenschafter: "Ja. Das hängt aber auch von der zeitlichen Dynamisierung der Netzgebühren und Steuern ab. Momentan wird ein Großteil der Steuern und Netzgebühren über die Strombezugsmenge verrechnet. Das führt dazu, dass selbst bei Strompreisen von 0 Euro/MWh an der Strombörse, der Strom für Power-to-Heat wegen der Netzgebühren und Steuern zu teuer sein kann im Vergleich zum anderen Wärmequellen."
Bei Power-to-Gas ist er noch deutlich zurückhaltender. "Simulationen zeigen, dass Powert-to-Gas nur bei erneuerbaren Anteilen von mehr als 90 Prozent benötigt wird, oder wenn große Windparks durch Netzengpässe behindert werden. Die Technologie hat den Nachteil, dass die Effizienz gering ist und damit nur selten eingesetzt wird und daher auch ökonomisch nicht attraktiv ist", sieht er mittelfristig kaum Einsatzchancen.
Angesprochen auf das Stromspeicherangebot Powerwall von Tesla sieht der Wissenschafter nicht wirklich viel Potenzial für Batterie-Kleinspeicher: "Sie machen volkswirtschaftlich keinen Sinn. Es gibt billigere Lösungen, einen hohen Erneuerbaren-Anteil und geringe CO2 Emissionen zu erreichen. Dass sie doch Absatz finden, hängt unter anderem damit zusammen, dass Steuern und Netzgebühren momentan den Eigenverbrauch begünstigen, auch wenn das nicht die beste technisch-ökonomische Lösung ist." Ähnlich argumentiert Redl: "Batteriespeicher sind derzeit noch vom Markt entfernt, mit wenigen Ausnahmen bezüglich der Maximierung von Eigenverbrauch."
Von Hermann Mörwald/APA-Science