"Warum sind Basiskompetenzen so wichtig?"
Die Wirtschaft ist einem ständigen Wandel unterworfen. Ausgelöst durch technische und organisatorische Innovationen, internationale Arbeitsteilung, Änderungen im Konsumverhalten oder durch die Alterung der Gesellschaft verändert sich das Ausmaß und die Zusammensetzung der Produktion von Waren und Dienstleistungen, mit erheblichen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt: Manche Arbeitsplätze verschwinden, andere entstehen neu oder ändern teilweise ihre Arbeitsplatzbeschreibung.
Für die Arbeitskräfte heißt das, sich den wandelnden Qualifikations- und Kompetenzanforderungen anzupassen. Vor allem Arbeitskräfte mit geringen formalen Qualifikationen geraten unter Druck. Für sie gibt es einerseits immer weniger Beschäftigungsmöglichkeiten, andererseits geraten sie zunehmend in Konkurrenz zu höher qualifizierten Personen.
Für den Einzelnen mindern ein fehlender formaler Ausbildungsabschluss bzw. unzureichende Basiskompetenzen die Arbeitsmarktchancen: Die Beschäftigungs- und Einkommenschancen sinken, während das Arbeitslosigkeitsrisiko steigt. So haben Arbeitskräfte mit maximal Pflichtschulabschluss mittlerweile eine fast dreimal so hohe Arbeitslosenquote (2017: 25,3 Prozent) wie Personen mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss (2017: 3,4 Prozent), ihre Beschäftigungsquote liegt deutlich niedriger (2017: 46,9 Prozent) als jene von Hochqualifizierten (2017: 84,6 Prozent) und ihr Einkommen fällt im Vergleich zu Personen mit abgeschlossener oberer Sekundarausbildung um rund 30 Prozent (OECD, 2017) geringer aus. Gesamtwirtschaftlich betrachtet wirkt sich ein geringes Qualifikationsniveau negativ auf die Produktivität, die Wertschöpfung und das Wirtschaftswachstum aus; mögliches Volkseinkommen geht verloren. Betroffene sind bei Erwerbslosigkeit und geringem Erwerbseinkommen auf Transferleistungen des Staates angewiesen und können zugleich selbst keinen Beitrag zu den sozialen Sicherungssystemen leisten.
Die Zahlen zu den Integrationschancen auf dem Arbeitsmarkt nach Qualifikationsniveau unterstreichen somit die Rolle der formalen Ausbildung für den Arbeitsmarkterfolg. Der Erwerb von Basiskompetenzen, wie sie im Erstausbildungssystem zu vermitteln sind, ist folglich ein unverzichtbarer Grundstein für jede weitere Lernphase, sei es in der Schule, am Arbeitsmarkt oder im Privatleben. Sie sind die Voraussetzung, dass eine weiterführende Ausbildung im Anschluss an die Pflichtschulzeit fortgesetzt werden kann, für den Erwerb von berufsrelevantem Wissen, für die Verankerung von Lernen im Lebensverlauf und für die Bewältigung des Alltags.
Mangelnde Kompetenz in Lesen oder Schreiben sind kein aussterbendes Phänomen, wie empirische Befunde zu den Kompetenzen von Schülern und Schülerinnen belegen, seien es die Bildungsstandards auf nationaler Ebene oder auch internationale Leistungsvergleiche der OECD (PISA, TIMMS, PIRLS). Nicht alle Schülerinnen und Schüler in Österreich können während bzw. bis zum Ende ihrer Pflichtschulzeit die nötigen Kompetenzen erwerben. Der Anteil der leistungsschwachen Jugendlichen in Lesen oder Rechnen lag in den letzten zehn Jahren relativ stabil bei rund einem Fünftel aller Schüler und Schülerinnen. Um diesem Phänomen zu begegnen und den Anteil der Jugendlichen mit Lese-, Schreib- oder Rechenschwäche zu verringern, bedarf es verschiedener, präventiver Ansätze: Hierzu zählen erstens Investitionen im frühkindlichen Bereich, da die Lernfähigkeit eines Kindes vor allem in den ersten Lebensjahren geformt wird, und zweitens Investitionen am Beginn der Schulkarriere, da in der Volksschulzeit die Weichen für den späteren Bildungsverlauf gestellt werden.
Dazu bedarf es einer aktiven Bildungspolitik im frühkindlichen Bereich, damit Kinder mit Kompetenzschwäche (etwa Sprachproblemen) rechtzeitig gefördert werden. Dazu bedarf es auch der finanziellen Unterstützung von Schulstandorten mit besonders vielen benachteiligten Kindern und schwierigeren Unterrichtsbedingungen. Je schlechter die Ausgangsbedingungen des Schulstandortes sind, desto mehr Unterstützung sollte dieser erhalten.
Hinweis: Dieser Artikel erschien in ungekürzter Form als WIFO-Monatsbericht: Bock-Schappelwein, J., Huemer, U., 2017, Österreich 2025 — Die Rolle ausreichender Basiskompetenzen in einer digitalisierten Arbeitswelt, WIFO-Monatsberichte 2/2017, S. 131-140.