Forscherin Kurzmann: "Kommunikation ist fast das Wichtigste"
"Kommunikation ist fast das Wichtigste", sagt Julia Kurzmann, wenn sie von ihrem Beruf als Forscherin spricht. Gute Motivation, Neugier und Teamgeist sollte man ebenso mitbringen und nicht unbedingt Routine suchen. Das Tüfteln im stillen Kämmerlein spielt hingegen kaum eine Rolle, entlarvte die 27-jährige Technische Chemikerin im APA-Gespräch ein Klischee.
Kurzmann hat sich im außeruniversitären Forschungsinstitut Profactor in Steyr für den Karrierepfad des "Research Engineer" entschieden, im Vergleich zum "Scientist" steht die Anwendung im Vordergrund. Ein Job an der Uni - mit Lehre und Publikationsdruck - habe sie ohnehin nicht gereizt. "Ich interessiere mich mehr für die Anwendung des Entwickelten", ist Kurzmann die praktische Komponente wichtiger. Sie arbeitet im Bereich des roboterbasierten Inkjet-Drucks. Ähnlich wie bei einem herkömmlichen Tintenstrahldrucker wird Tinte appliziert - nur nicht auf Papier sondern auf andere Oberflächen wie Kunststoff, Glas oder Metall, vor allem auch auf unebene Formen. So können die Produkte individualisiert werden.
Ein schöner Erfolg war bisher der Druck eines leitfähigen Sensors auf eine 3D-Vase, berichtete Kurzmann. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Beschaffenheit der Tinte und der Oberfläche, auf der sie haften soll. Da der Prozess roboterbasiert ist, können ungewöhnliche Formen wie Schuhe bedruckt werden. Ziel ist, dass die Technik einfacher wird - etwa, dass der Roboter das Objekt selber einscannt und die Bewegung berechnet - und Kunden sie in der Serienproduktion in der Industrie einsetzen. Kurzmann findet es spannend, den Prozess weiterzuentwickeln.
Schnupperpraktika in den Ferien
Die 27-Jährige ist noch relativ neu im Beruf, erst vor zwei Jahren beendete sie ihr Studium an der Linzer Johannes Kepler Universität. Das Interesse an Chemie war schon während der acht Jahre im Gymnasium Körnerschule in Linz da. "Ich hatte einen guten Chemielehrer, der mein Interesse bestärkt hat und es war absolut mein Wunsch, in die Forschung zu gehen", erzählte sie begeistert. Das habe sich während des Studiums herauskristallisiert - das Geschlechterverhältnis war übrigens an der Uni sehr ausgeglichen und ist es auch in der Abteilung - "das ist in der Chemie so, bei Physik und Informatik ist es ganz anders", kennt die Wissenschafterin den Grund dafür aber nicht.
Die Ferien nutzte sie, um bei Unternehmen in Linz in der Forschungsabteilung in die Materie hineinzuschnuppern. Das rät die junge Frau aus Sierning im Bezirk Steyr-Land auch interessierten Studenten, denn da könne man testen, ob einem der Job liegt. Die Stelle bei Profactor entspricht in etwa den Vorstellungen, die sie hatte. "Was für mich persönlich neu dazugekommen ist, ist der Kundenkontakt und das Stellen von Projektanträgen" - da sei sie einfach hineingewachsen, mithilfe einer erfahrenen Kollegin. "In der Forschung arbeiten ist super, aber man sollte die nötige Motivation mitbringen", resümierte sie über ihre ersten beiden Jahre. Ebenso hilfreich seien gesunder Ehrgeiz und Offenheit für Neues, eine engstirnige Denkweise schade eher, denn Querdenken helfe enorm und auch, dass man unerwartete Ergebnisse akzeptieren kann, umschrieb Kurzmann die Anforderungen.
Organisation nimmt viel Zeit in Anspruch
Dokumentation, Administratives wie Anträge schreiben und Organisation machen mehr als die Hälfte der Tätigkeit aus. "Auswertungen nehmen viel Zeit in Anspruch, aber das ist sehr wichtig und ich sehe es nicht als etwas Lästiges." Hier spiele auch die Kommunikation eine große Rolle, wenn im Team erörtert wird, "Was bedeutet das, was wir im Versuch gesehen haben?". Im Labor stehe sie nicht einmal die Hälfte der Zeit, überschlug die sympathische Forscherin, denn es gehört viel Vorbereitung dazu. Sie schätzt an ihrem Beruf vor allem die selbstständige Arbeitsweise, dass sie viel eigene Ideen einbringen und sich ihre Zeit frei einteilen kann. "Es ist nicht jeder Tag gleich, es gibt Versuche im Labor, Besprechungen mit Kollegen, Abstimmungen mit Kunden und Projektpartnern - wir tüftlen nicht allein vor uns hin", beschrieb sie den Arbeitsalltag.
"Wer nach einer Routinearbeit sucht, der ist in der Forschung falsch", verdeutlichte sie, dass oft auch Unvorhergesehenes eintritt. Sei es, dass ein Versuch nicht so funktioniert wie geplant oder Partner erst vom Potenzial einer Idee überzeugt werden müssen. Bei ersterem sucht Kurzmann das Gespräch mit Kollegen, "eine andere Sichtweise hilft oft", aber auch vor dem Einschlafen und beim Spazierengehen haben sie schon Geistesblitze ereilt - obwohl sie in der Freizeit gut abschalten kann.
Wunder Punkt: die Partnersuche
Einen wunden Punkt in ihrer Arbeit sieht sie darin, dass zum Realisieren einer vielversprechenden Idee erst ein Partner gefunden werden muss. "Die Kunden muss man vom Potenzial einer Technik überzeugen, damit sie in die Entwicklung investieren", ist wieder Kommunikationstalent gefragt. Aber auch den umgekehrten Weg gibt es. "Oft kommen Kunden mit einer Herausforderung zu uns, dadurch können wir unsere Technologien anwendungsspezifisch weiterentwickeln." Die Wissenschafter versuchen auch durch geförderte Projekte eine Finanzierung aufzustellen, oft mit mehreren Entwicklungspartnern. Aber passende Projektausschreibungen stehen oft nicht Gewehr bei Fuß. "Das ist manchmal mühsam, ich behalte solche Sachen im Hinterkopf. Da heißt es geduldig sein, bis es passt", verliert sie nicht gleich die Motivation. Genug zu tun gäbe es ohnehin immer.
Es könne schon vorkommen, dass man mal länger bleibt, wenn ein Experiment zu beenden ist, doch im Allgemeinen sei die Arbeit gut mit dem Privatleben vereinbar. Dienstreisen etwa zu Projektpartnern, Konferenzen und Messen werden in Absprache mit Kollegen - Kurzmann arbeitet in einer Abteilung mit circa 20 Leuten - besetzt.
Und wenn die Forschung wirklich Pause hat? Dann ist die Oberösterreicherin in der Natur zu finden, beim Joggen und Spazierengehen oder beim Treffen mit Freunden und manchmal auch beim Tanzen. Wer glaubt, dass sie dabei höchst individuell bedruckte Kleidung trägt, ist aber schief gewickelt. "Dafür ist in der Arbeit keine Zeit", lachte die 27-Jährige. Für einen Kollegen habe man allerdings zur Geburt seines Kindes schon einmal etwas auf eine Glasplatte gedruckt - statt wie andere einfach ein Billett zu schreiben.
Von Ulrike Innthaler / APA