Nerd mit Kollektivvertrag
Vom 5-Jährigen, der zum Leidwesen seiner Eltern alles auseinander nahm, was er in die Finger bekommen hat, bis zum von Siemens als „Erfinder des Jahres 2018" ausgezeichneten Forscher: Lukas W. Mayer ist nach einem stressigen Start-up-Job bei einem Großkonzern gelandet und hat dort sein familienkompatibles tüftlerisches Glück gefunden.
„Wenn man mich als Kind gefragt hätte, was ich werden will, hätte ich gesagt: Professor, Forscher, Erfinder. Das war eine Kindheits-Gewissheit. Ich wollte schon immer verstehen, wie Sachen funktionieren“, so Mayer im Gespräch mit APA-Science. Anfangs zerlegte er noch von seinem Vater am Flohmarkt gekaufte alte, mechanische Wecker, später galt sein Interesse dem Modellbau. Vor kurzem hat der heute 38-Jährige eine Drohne gebaut – ohne Plan, nur mit Ausprobieren.
Handarbeit und Praxisnähe genoss er auch in der HTL, „da habe ich beispielsweise drehen und fräsen gelernt“. Beim Studium der Elektrotechnik und dem Fokus auf Nachrichtentechnik wurden schließlich Funk und Antennen sein Steckenpferd. Dieses Wissen war auch bei seinem ersten Job bei einem Start-up gefragt. „Da habe ich ultraleichtgewichtige Antennen entwickelt. Wir nahmen beispielsweise Carbonfaser als Material für Antennen ins Visier, um sie auf Drohnen besser anbringen zu können. Da geht es um jedes Gramm.“
Letztendlich habe das „für mich nicht funktioniert, weil es sehr schnell tief ins Militärische gegangen ist. Mit dem muss man sich irgendwann auseinandersetzen und erkennen, dass man Teil einer Maschine ist. Eine Antenne bringt niemanden um, aber wenn der Usecase entsprechend ist...“ Vom Start-up ging es direkt zu Siemens Österreich. Anscheinend die richtige Entscheidung: „Ich war echt überrascht, dass man bei einem so großen Unternehmen relativ viele eigene Ideen einbringen und verfolgen kann“, sagte Mayer, der im Bereich Corporate Technology, sozusagen dem internen Technologie- und Forschungsdienstleister, tätig ist.
Auszeichnung für Fensterbeschichtung
Besonders erfüllend sei, wenn eine Idee in einem Produkt münde. „Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt ja tausend Gründe, wieso eine tolle Erfindung dann nie in der Realität zum Einsatz kommt.“ Gut geklappt hat das jedenfalls mit einer Fensterbeschichtung, die den Mobilfunkempfang in Zügen erheblich verbessern soll. Für die wurde der gebürtige Wiener als einer von zwölf besonders findigen Forschern von Siemens als „Erfinder des Jahres 2018" ausgezeichnet.
Dass man Forscher wie ihn gemeinhin als Nerds bezeichnet, stört Mayer nicht. Er sieht sich selbst so. „Man hat dauernd ein Problem im Kopf und versucht es zu lösen. Das lässt einen nicht los, nur weil man die Tür zur Arbeit hinter sich zu macht. Ein Forschergehirn ist sehr schwierig abzuschalten“, so Mayer. Das könne natürlich auch negative Auswirkungen haben. Für die Work-Life-Balance sei es jedenfalls von Vorteil für einen großen Konzern zu arbeiten: „Man hat einen Kollektivvertrag und da stehen 38,5 Wochenstunden drinnen. Man stempelt ein und für jede Stunde, die man mehr arbeitet, nimmt man irgendwann Zeitausgleich. Das ist für mich als Familienvater natürlich eine tolle Sache.“
Außerdem ist in seiner Gruppe die Arbeitslast zwischen Administration und Forschung sehr gut ausbalanciert. „Gruppenleiter beispielsweise wäre derzeit nichts für mich. Man ist da sofort von der Forschung weg. Ich bin ja im Herzen ein Erfinder und Bastler.“Viele Ideen würden in der Kaffeeküche entstehen, strich Mayer die Bedeutung des Miteinanders in einer Forschergruppe hervor. „Wenn jeder von jedem weiß, was er ungefähr macht, gibt es sehr viel Austausch. Und das ist wichtig, Denn auch wenn man Erfinder des Jahres wird, sind immer viel mehr Leute beteiligt, als die, die dann die Krone aufgesetzt bekommen.“
Jungforscherinnen und -Forschern rät er, in ihre „Dolmetsch“-Fähigkeiten zu investieren. „Manager oder Chefs denken ganz anders als wir. Die haben ein anderes Modell im Kopf, welche Fragen sie stellen oder wie sie antworten. Es gibt viele Forscher, die man nie vor Nicht-Technikern sprechen lassen darf, weil sie beispielsweise nicht vermitteln können, was der Nutzen dahinter ist“, so Mayer. Dabei sei das für einen Forscher eine Schlüsseleigenschaft, „die man aber lernen kann“.
Aktuell beschäftigt ihn ein großes internationales Forschungsprojekt namens SCOTT, in dessen Rahmen Funksensoren entwickelt werden, die auf den Fahrwerken von Zügen „mitfahren“und Daten erheben sollen. „Ein Fahrwerk ist eigentlich das Hightech-Teil an einem modernen Personenzug. Da geht es um Sicherheit, Zuverlässigkeit und Laufruhe. Je weniger Wartung hier nötig ist, desto mehr Stunden fährt der Zug auf der Schiene und verdient Geld“, erklärte Mayer. Die Funksensoren sollen Auskunft darüber geben, in welchem Zustand sich beispielsweise Lager und Bremsen befinden.
Wartungsintervalle verlängern
„Diese Daten werden an sehr unangenehmen Stellen erhoben, beispielsweise dort wo die extremsten Vibrationen und Stöße erfolgen. An diese Stellen kann man mit Kabeln eigentlich nicht hin. Deshalb hat da Funktechnik Potenzial“, so der Experte. Eines der Hauptziele bestehe darin, die Wartungsintervalle zu verlängern und damit den Zug nur dann von der Schiene zu holen, wenn es wirklich notwendig sei.
Abgesehen von diesem Projekt gebe es sehr viele bestehende Siemens-Produkte, in die Funk-Funktionen integriert werden sollen. „Da geht es beispielsweise um den Sensor von einem Tankfüllstand, den man nicht immer aufmachen will, wenn eine neue Firmware installiert werden soll. Dann braucht er eine Antenne“, so Mayer. Hier würden sich sehr spezielle Fragestellungen auftun, weil eingekaufte Lösungen im Industrieumfeld selten passen würden. Aber gerade dieses Tüfteln schätzt Mayer ja.
Von Stefan Thaler / APA-Science