Die mit Abstand größte Ökosystemformation Österreichs bedeckt fast die Hälfte des Staatsgebiets und besteht aus ungefähr 3,4 Milliarden Bäumen. Erfreulich ist, dass der Wald stetig wächst. Nicht zu übersehen sind aber Probleme als Folgen des Klimawandels und Konflikte zwischen wirtschaftlicher und nachhaltiger Nutzung.
Um zunächst einmal zu klären, ab wann sich eine Ansammlung von Bäumen mit dem Prädikat Wald schmücken darf, wartet das Österreichische Forstgesetz (1975) gleich in Paragraf 1a mit einer Definition auf: „Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1.000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.“
Im Sinne der Nachhaltigkeit ist den Wäldern darin neben der Nutzfunktion explizit auch eine Erholungs-, Schutz- und Wohlfahrtsfunktion zugewiesen. Konkretisiert wurde der Nachhaltigkeitsbegriff im Zuge einer Novellierung des Forstgesetzes 2002, wonach Wälder so zu bewirtschaften und zu nutzen seien, „dass deren biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsvermögen, Vitalität sowie Potenzial dauerhaft erhalten wird“. Als Leitlinie für das forstpolitische Geschehen in Österreich gilt die 2016 präsentierte „Österreichische Waldstrategie 2020+“. Auch hier prangt als Leitmotiv über den sieben Handlungsfeldern – von Klimaschutz über Schutzfunktion bis gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte – das Prinzip der Nachhaltigkeit.
WWF sieht „Wald in der Krise“
Soweit der politische Rahmen und die darin enthaltenen nachhaltigen Erwägungen. Ob sich der Wald und seine Protagonisten auch daran halten, dem ist der WWF mit dem „Ersten unabhängigen Waldbericht für Österreich 2020“ auf den Grund gegangen. Den Ende November erschienenen Bericht betitelte die Naturschutzorganisation mit „Wald in der Krise“. Eine der kritischen Entwicklungen sei, dass sich der Trend zu mehr Laub- und Mischholzbeständen immer weiter abschwächt. Monokulturen gelten jedoch neben übermäßigen Entnahmen, Forststraßenbau und zu großen Wildbeständen als die Ursachen für die Schädlingsanfälligkeit der Wälder.
„Übernutzte Wälder sind weder für die Artenvielfalt noch im Kampf gegen die Klimakrise eine große Hilfe“, warnte Karin Enzenhofer, Waldexpertin beim WWF Österreich anlässlich der Publikation des Waldberichts (ausführliche APA-Meldung siehe „WWF-Bericht sieht den Wald in der Krise und stellt Lösungen vor“). Auch die Autoren sehen für die genannten Herausforderungen gesunde und vitale Wälder „als eine notwendige und unabdingbare Basis“. Sieben notwendige Schritte wurden für einen „Wald der Zukunft“ definiert, etwa die Schaffung effektiver Anreizsysteme, „um den Laubholzanteil deutlich zu steigern und den Fichtenanteil stark zu reduzieren“.
Die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass nur elf Prozent von Österreichs Wäldern natürlich oder sehr naturnah ist, lediglich 0,8 Prozent davon sind effektiv geschützt (Details zu den Naturwaldreservaten in Österreich siehe Gastbeitrag von Georg Frank). Hauptverantwortlich für den dramatisch geringen Anteil an artenreichen, klimafitten Naturwäldern sei die intensive Bewirtschaftung.
Durstiger Wald, hungrige Forstwirtschaft
Dabei läuft es auch für die Waldwirtschaft nicht gerade rosig. „Der Wald verdurstet und die Forstwirtschaft verhungert”, beschrieb Felix Montecuccoli, Präsident der Land- und Forstbetriebe Österreich, bei der Jahrespressekonferenz im Mai die Lage. Die Gründe für den abgestürzten Holzpreis könnte man salopp im Bermudadreieck aus Klimawandel, Borkenkäfern und Fichtenmonokultur suchen – ausführlicher erklären Fachleute die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Umweltfaktoren im Artikel „Damit der Enkel auch noch Geld verdienen kann“. Wobei die Konfliktlinien zwischen den verschiedenen Nutzungsarten des Waldes keineswegs schnurgerade verlaufen, wie etwa im Spannungsfeld zwischen Tourismus und Naturschutz zu beobachten ist (siehe „Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Der Wald im Zwiespalt“).
Im Klima-Dilemma
Wurzel allen Wald-Übels ist unbestritten der Klimawandel, darin sind sich Ökonomen, Interessenverbände und Wissenschafter einig. Immer längere Dürreperioden schwächen die Bäume, was einen massenhaften Befall durch Borkenkäfer begünstigt (siehe „Appetit auf Zerstörung“) und enorme Anteile an Schadholz bei der Holzernte mit sich bringt.
Dazu kommt die Erwartungshaltung, dass der unter dem Klimawandel leidende Wald diesen gleichzeitig mindern soll, indem er möglichst viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre speichert (siehe „Der Wald im Klimawandel-Dilemma“). Dafür muss er aber einigermaßen intakt bleiben, was alles andere als leicht zu bewerkstelligen ist, wie Experten erklären. Der Mix aus Holznutzung und CO2-Speicher ist ein Balanceakt: Berechnungen zeigen, dass der heimische Wald bei einem stärkeren Temperaturanstieg langfristig sogar zur CO2-Quelle wird und eine nachhaltige Waldbewirtschaftung durchaus mit ökologischen Zielen vereinbar ist (siehe „Experte: Waldnutzung und Klimaschutz kein Widerspruch“).
420 Bäume pro Einwohner
Zumindest an nackten Zahlen gemessen ist der Wald in Österreich im Aufwärtstrend (siehe „Was im Wald ist und sein wird“). Laut aktuellen Zahlen der Waldinventur (siehe dazu auch den Gastbeitrag „Die Waldinventur – mehr als nur Bäume zählen!„) des BFW belegen die Wälder mit knapp vier Millionen Hektar rund 48 Prozent der österreichischen Staatsfläche. Etwa 3,4 Mrd. Bäume aus 65 Baumarten stehen im heimischen Forst, somit kommen auf jeden Menschen in Österreich um die 420 Bäume.
Die Tendenz ist steigend. Seit dem Beginn der Waldinventur 1961 hat sich Österreichs Waldfläche um 300.000 Hektar (entspricht in etwa der Fläche des Mühlviertels/OÖ) vergrößert. Die Zusammensetzung ändert sich dahingehend, dass der Nadelwald- ab und der Laub- und Mischwaldanteil zunimmt. Dem zukünftigen Mix der Bewaldung kommt ohnehin langfristig herausragende Bedeutung zu. Einig sind sich die Experten jedenfalls darin, dass Monokulturen keine Zukunft haben, hier stimmen sie mit dem WWF (siehe Gastbeitrag „Lebensader Wälder„) überein.
„Um die negativen Folgen des Klimawandels ein wenig abzufedern, damit die Speicherung von Kohlenstoff möglichst stabil bleibt, wird man in der Waldbewirtschaftung künftig auf Anpassung setzen müssen, also das Baumartenspektrum im österreichischen Wald muss sich in den nächsten Jahrzehnten ganz massiv ändern“, sagt etwa Manfred Lexer vom Institut für Waldbau der BOKU in Wien. Fichten will man zum Beispiel vermehrt mit einer Alternative aus Nordamerika ersetzen, nämlich der Douglasie (Pseudotsuga menziesii). „Die Forstwirtschaft steckt nachvollziehbarer Weise eine gewisse Hoffnung in diesen Baum“, meint Franz Essl vom Department für Botanik und Diversitätsforschung der Universität Wien.
Alles entscheidende Klimafrage
Die ganze Diskussion über den künftigen Baum-Mix ist für Essl aber ein Luxus, wenn nicht endlich der Klimawandel engagiert eingebremst wird: „Unter starkem Klimawandel ist die Frage sekundär, mit welcher Art man Flächen aufforstet, um in 80 Jahren einen hiebreifen Baum zu haben, weil es dann in vielen Fällen sehr schwierig sein wird, eine geregelte Forstwirtschaft und einen über Jahrzehnte einigermaßen intakten Wald haben zu können“, erklärt Essl: „Der Baum, den ich heute dort setzen kann, ob heimisch oder nicht-heimisch, wird in 80 Jahren bei heutigen Erwärmungsraten gar nicht mehr wachsen können.“
Letztlich führe kein Weg an der Eindämmung des Klimawandels vorbei, wie innerhalb der im Pariser Abkommen vor genau fünf Jahren vereinbarten politischen Ziele. Österreich spiele hier keine rühmliche Rolle: „Dass die heimische Klimapolitik katastrophal ist, ist bei Experten unumstritten“, so Essl. Auch die neue Regierung habe hier noch kaum Verbesserungen gebracht und keine ausreichenden Maßnahmen gesetzt. „Im Endeffekt ist die Klimapolitik schon seit Jahrzehnten eine nationale Schande“, sagt Essl. Simone Gingrich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) schlägt in dieselbe Kerbe: „Für effektiven Klimaschutz muss rasch gehandelt werden, denn Wälder sind sehr träge Ökosysteme.“
- Österreichs Wald wächst – Trend weg von Monokulturen zu Mischwäldern
- Holzwirtschaft unter Druck durch Dürre und Borkenkäfer
- Klimawandel ist das zentrale Problem
- Konflikt zwischen wirtschaftlicher Nutzung und Erhalt der Artenvielfalt
- Knapp 48 Prozent der Fläche Österreichs sind von Wald bedeckt
- 3,4 Mrd. Bäume und 65 Baumarten
- Seit 1961 wuchs der Wald um 300.000 Hektar