Forscherin: Einsatz autonomer Fahrzeuge sorgfältig planen
In der Diskussion um automatisierte Fahrzeuge dominieren technische oder moralische Fragen, die Auswirkungen auf den Menschen und dessen Verhalten sind hingegen noch ziemlich unterbelichtet. Am Austrian Institute of Technology (AIT) beschäftigt sich die Mobilitätsverhaltensforscherin Alexandra Millonig mit diesen Fragen. Im APA-Gespräch plädiert sie für eine sorgfältige Umsetzung und genug Zeit.
"Automatisierte Fahrzeuge sind heute quasi das Apple-Produkt der Mobilität", stellte Millonig fest. "Es ist cool, leicht zu verwenden. Ich kann meine Zeit irrsinnig gut nutzen und wenn es wirklich für alle zugänglich gemacht wird, dann wäre das eigentlich der Renner." Sollte man meinen. Die eigentliche Frage laute aber: "Ist das dann noch zielführend und etwas, was unsere langfristigen Ziele (wie Verkehrseffizienz, -sicherheit, aber auch Klimaziele, Anm.) erfüllen kann."
Wenn jeder fährt, "werden wir in erster Linie einen Verkehrszuwachs haben", mit allen bekannten Folgen. Die positiven Aspekte könnten damit wieder aufgehoben werden. Die Wissenschafterin plädiert deshalb für eine sehr sorgfältige und vorsichtige Planung und Umsetzung: "Wir müssen uns genau überlegen, wie kann ich den automatisierten Verkehr so umsetzen oder auch regulativ begleiten, damit die Lösung ausgewogen ist und als Ergänzung zu den anderen Verkehrsangeboten und Möglichkeiten, die es jetzt schon gibt, ins Gesamtsystem hineinpasst."
"In ferner Zukunft, nicht bald"
Dazu gehöre etwa die Überlegung, wo mit automatisiertem Fahren Lücken geschlossen werden können. Als Beispiel nannte die Forscherin ländliche Regionen, in denen sich der öffentliche Verkehr heute betriebswirtschaftlich nicht mehr rechnet. Aber auch zu mehr Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer könnten automatisierte Systeme beitragen, denn auch Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen wären damit mobil. Dass sich selbstfahrende Fahrzeuge durchsetzen werden, kann sich Millonig vorstellen, "allerdings in ferner Zukunft, nicht bald".
Große Akzeptanzprobleme des neuen Verkehrsangebotes sieht sie unter den genannten Voraussetzungen hingegen nicht. "Bis autonome Fahrzeuge in größerer Zahl im Mischverkehr unterwegs sind, vergeht noch viel Zeit. Da wächst schon eine neue Generation heran, für die das nichts Neues mehr ist", ist sie überzeugt. Gleichzeitig sei der lange Umsetzungszeitraum aber auch notwendig, "weil wir Menschen lassen uns nicht so schnell umstellen."
Der heutigen Skepsis innerhalb der Gesellschaft gegenüber selbstfahrenden Autos oder Bussen müsse man mit geeigneten Maßnahmen begegnen. "Wir entscheiden unser Mobilitätsverhalten auf Basis unserer Erfahrungen, Interessen und Werte", erklärte Millonig. Die Bevölkerung sei in dieser Hinsicht aber sehr heterogen. Damit einzelne soziale Gruppen automatisiertes Fahren als Mehrwert und als vertrauenswürdig empfinden, müssten die Botschaften ihren Werten entsprechend gesendet werden.
Forschung an neuen Kommunikationskanälen
Wie Verkehrsteilnehmer in einem Mischsystem aber tatsächlich reagieren, weiß auch die Mobilitätsverhaltensforscherin noch nicht. Das AIT beschäftigt sich derzeit in einigen Forschungsprojekten mit diesem Thema. "Wir schauen uns an, was man beachten muss, welche neuen Kommunikationskanäle man vielleicht neu erschaffen muss, welche Lücken man mit diesem System überhaupt schließen kann und wo man über das Ziel hinausschießen könnte", so Millonig.
Im Rahmen eines "Science Cafes" des Science Center-Netzwerks stellte sich die Wissenschafterin am 18. Jänner im WUK Wien der Diskussion zu diesem Thema. Das Science Center-Netzwerk ist ein Verbund von rund 170 Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, einen leicht verständlichen Zugang zu Wissenschaft und Technik zu ermöglichen.