Heimische Technologien auf dem Weg nach Sotschi
Russland wird in mittlerer Zukunft eine Reihe von sportlichen Großveranstaltungen ausrichten - die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, die Eishockey-WM 2016 und die Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Österreichische Firmen sind bereits stark in den Ausbau der Infrastruktur rund um die Sportstätten involviert und treten bei diesen Events auch als Technologielieferanten in Erscheinung.
Rund eine Milliarde Euro war das Auftrags-Portefeuille aus Sotschi für rot-weiß-rote Firmen bereits 2011 schwer - an diesem Stand hat sich seither kaum etwas verändert. Den Löwenanteil hat sich die Strabag gesichert, die das Olympische Dorf errichtet. Die Aufträge am Schwarzen Meer verdankt man dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der zur Zeit 17 Prozent an der Strabag hält. Deripaska war dort Grundbesitzer. Ansonsten sind vor allem russische Baukonzerne zum Zug gekommen. "Es wird alles rechtzeitig fertig und es wird eine beträchtliche Leistung präsentiert werden können", kündigte Konzernchef Hans Peter Haselsteiner im April dieses Jahres an. Bis September 2013 sollen Wohnungen und Hotels mit einem Auftragswert von insgesamt 350 Mio. Euro errichtet werden. Bereits abgeschlossen hat die Strabag den Umbau eines Terminals am internationalen Flughafen Adler, der circa 40 km von Sotschi entfernt ist. Der gesamte Auftragswert betrug rund 62 Mio. Euro.
Siemens baut Züge für Sotschi
Viele Besucher der Winterspiele werden mit Regionalzügen der Firma Siemens zu den sportlichen Wettkämpfen anreisen. Die Fahrwerktechnologie der insgesamt 54 Züge vom Typ "Desiro RUS" kommt aus dem Siemens-Standort in Graz. Die Regionalzüge sollen laut Angaben der Firma etwa 30 Prozent weniger Energie verbrauchen als aktuell in Russland eingesetzte Züge, außerdem wurden sie speziell für die Anforderungen in Russland angepasst, heißt es seitens des Unternehmens. Ein großer Teil der technischen Überprüfungen wurde im Klima-Wind-Kanal in Wien-Floridsdorf durchgeführt.
Mit einer Höhe von 4,85 und einer Breite von 3,48 Metern ist der Desiro RUS bedeutend größer als die Züge, die in Mitteleuropa verkehren. Zudem ist die Spur breiter. In Russland sind die Schienen 1520 Millimeter voneinander entfernt, in Österreich sind es 1435 Millimeter. Das hat auch die Überprüfungen der rund 60 Tonnen schweren Waggons auf dem Prüfstand von Rail Tec Arsenal (RTA) in Wien verkompliziert, wie der Technische Direktor des Klima-Wind-Kanals, Gabriel Haller im Gespräch mit der APA ausführte. Schon die Anlieferung der Züge aus dem Werk im deutschen Krefeld konnte nämlich nicht über den üblichen Schienenweg erfolgen - die Waggons kamen per Schiff und mittels Spezial-LKW.
Überprüfung unter Extrembedigungen
Die Techniker überprüften vor allem den "thermischen Komfort unter allen möglichen dort auftretenden Außenbedingungen". Bei den Tests ging es unter anderem darum, festzustellen, wie Heizung, Klima- oder Lüftungsanlage arbeiten. Der Betrieb muss nämlich auch unter extremen Bedingungen möglich sein. Die Tests laufen daher bei Temperaturen von minus 40 bis plus 45 Grad ab, zusätzlich erzeugt der Klima-Wind-Kanal hohe Windgeschwindigkeiten. Außerdem werden Eis, Regen und Schnee bei den Überprüfungen eingesetzt. Im Inneren der Waggons zeichnen etwa 100 Sensoren auf, wie sich das Raumklima unter allen möglichen Umständen verändert. Auch unterschiedliche Besetzungen mit Fahrgästen werden dabei simuliert.
Auch Komponenten am Fahrzeug, wie Türen, Trittstufen, Scheibenwischer, Stromabnehmer oder die Kupplung müssen auf ihr Funktionieren unter extremen Witterungsbedingungen getestet werden. Gerade in Sotschi spielt das Wetter eine große Rolle, da der Ort selbst von mediterranem Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit geprägt ist, in den umliegenden Bergen können allerdings zur gleichen Zeit ganz andere Temperaturen herrschen. Das habe unter anderem auch den Reiz bei diesem Auftrag ausgemacht, so Haller, der mit seinen Kollegen etwa zehn Schienenfahrzeugprojekte und zahlreiche Auto- und LKW-Projekte pro Jahr abwickelt.
Kooperation mit russischen Experten
Für die Wiener Experten war es auch eine Herausforderung, gemeinsam mit Kollegen aus Russland nach dortigen Zulassungskriterien zu testen. "Es ist interessant, sich mit auf dem gleichen Gebiet arbeitenden Experten auszutauschen", so der Technische Direktor. Der Vorteil für die russischen Kollegen liege darin, dass man am weltweit einzigartigen Wiener Prüfstand "deutlich effizienter" und in relativ kurzer Zeit - nämlich in etwa vier Wochen - zu aussagekräftigen Ergebnissen kommt. Haller: "Sonst müssen sie sehr viele Streckenversuche unter den entsprechenden Klimabedingungen fahren und viele Werte hochrechnen, da ja nicht immer genau die richtigen Außenbedingungen herrschen".
Komplettes Skigebiet entsteht
Auch der Vorarlberger Seilbahnhersteller Doppelmayr konnte in der südrussischen Olympiastadt 25 Seilbahnanlagen an Land ziehen. Man baut in Sotschi die nach eigenen Angaben längste (5,4 km) Umlaufbahn der Welt. Sie wird von Krasnaja Poljana ins Skigebiet Laura führen, wo bei den Olympischen Winterspielen 2014 die nordischen Bewerbe abgehalten werden. Neben diesem Großprojekt hat Doppelmayr in der Olympiaregion etliche weitere Projekte umgesetzt oder in Planung. Die Firma macht sich im Nordkaukasus Hoffnungen auf ein weiteres Großprojekt: Unter dem Stichwort "Peak 5642" solle ein riesiges Skigebiet entwickelt werden (Gesamtkosten: geschätzte 15 Mrd. Dollar bzw. 10,5 Mrd. Euro).
Der russische Bau ist aber nicht nur für die industriellen Branchenriesen wie Strabag oder Alpine von Interesse, sondern auch ein Attraktionspol für Baustoffzulieferer, etwa für den Ziegelkonzern Wienerberger, der in Russland kürzlich zwei Fabriken (St. Petersburg, Kazan) eröffnet hat. Auch Mittelständler wie der burgenländische Bauzulieferer Leier oder der Dämmstoffproduzent Isoroc sind in Russland tätig oder liefern dorthin. Isoroc beschäftigt rund 380 Mitarbeiter, die Steinwolle erzeugen. An der Firma sind auch Wirtschaftskammer-Chef Leitl, der oberösterreichische Baustoffproduzent Asamer und Raiffeisen Oberösterreich beteiligt.
Von Nikolaus Täuber/APA-Science