Sportstadien als Technologie-Hotspots
Im Bereich "Stadiontechnik" hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel getan. "Die Technik, die in einem hochmodernen Stadion drinnen steckt, ist enorm und entwickelt sich immer weiter", so Markus Alexander Wischy, Softwareentwickler und Spezialist für Stadiontechnik am Hauptsitz der Firma Siemens in München gegenüber der APA. Die große technologische Herausforderung bestehe darin, die hohen Anforderungen im Bereich Energieeffizienz, sowie in der Gebäude- und Sicherheitstechnik zu erfüllen. Angetrieben würden diese Entwicklungen vor allem von den Fußball-Großveranstaltungen sowie von den Olympischen Spielen.
Die "Allianz Arena" ist eines der bekanntesten Beispiele für ein reines Fußballstadion der neuen Generation. Die Heimstätte der beiden großen Münchner Fußballvereine "FC Bayern München" und "1860 München" wurde für die Weltmeisterschaft 2006 errichtet. Wischy: "Da hat man damals alle modernen Konzepte, die es gab, hineingepackt." Es handle sich dabei auch um "das Vorzeigestadion für das FIFA-Requirementbuch", in dem die höchsten Anforderungen für neue Spielstätten beschrieben werden. "Die Allianz-Arena erfüllt etwa 70 bis 75 Prozent dieser Anforderungen schon, sie war quasi das Abziehbild dafür", so der Experte. Die gesamte technische Gebäudeausrüstung wurde damals von Siemens Elin Buildings and Infrastructure umgesetzt - einem Tochterunternehmen von Siemens Österreich.
Groß-Events als Technologietreiber
Siemens und den FC Bayern München verbindet seither eine Technikkooperation. "Wir haben dort kompletten Zugang zur Arena", so Wischy. So könne man ständig Informationen darüber sammeln, wie mit der Technik im täglichen Betrieb über mehrere Jahre hinweg gearbeitet wird. Das helfe auch bei der Erarbeitung von Konzepten für neue Stadionprojekte, etwa für die kommenden Weltmeisterschaften in Russland und Katar. Großveranstaltungen im Fußball sowie Olympische Spiele sind für Wischy generell "die großen Treiber für Stadiontechnik".
In modernen Arenen gelte es in der Planung und im Betrieb mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Im Vordergrund stehe jedenfalls die Sicherheit. Moderne Konzepte beginnen hier bereits weit vor den Stadiontoren, also bei der Gestaltung der Architektur, inklusive der Planung der Anfahrts- und Zugangswege. "Was dann an Technik dazu kommt, sind die Massenzugangsysteme." Diese müssen mit Lösungen ausgestattet sein, die die teilweise komplexen Ticketinfomationen in entsprechender Geschwindigkeit auslesen können.
Intelligente Zutrittstechnologien
Auf solche Massenzugangssysteme spezialisiert ist das Salzburger Unternehmen Skidata, das auch bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine vertreten war. "Von den acht Stadien haben wir vier mit unserer Zutrittstechnologie ausgerüstet", erklärte Ägidius Lackner von Skidata im Gespräch mit der APA. Ob zwei Meter hohe Sperren, wie in Polen, oder das neu entwickelte, so genannte "Variogate", sämtliche Drehkreuze seien für variable Ticketing-Technologien ausgestattet. Dazu gehören der herkömmliche Barcode, der QR(Quick Response)-Barcode oder aber unterschiedliche RFID-Datenträger. RFID (Radio Frequency Identification) ermöglicht die drahtlose Identifikation von Objekten.
Einen wichtigen Trend sieht Lackner in der NFC (Near Field Communication)-Technologie, die man auf Mobiltelefonen einsetzen kann. "Unsere Geräte sind darauf alle schon vorbereitet. Wenn dieser Standard kommt, können wir das schon einsetzen", sagt Lackner. "Der Trend geht natürlich dahin, dass man Datenträger verwendet, die bereits im Feld gestreut sind."
Ein Stadion in möglichst kurzer Zeit zu füllen und die Tickets zu kontrollieren, darin liege für das Unternehmen, das im Vorjahr 19 Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung aufwendete, die größte Herausforderung. "Es dürfen sich draußen keine Schlangen bilden. Das heißt, die Geräte müssen sehr schnell und zuverlässig arbeiten und die Anzahl der Drehkreuze darf nicht zu gering dimensioniert sein." Außerdem müsse man in der Zutrittskontrolle möglichst flexibel sein und unterschiedliche Ticketinganbieter bedienen können.
Skidata nutze auch Technologien, die sich mit Biometrie beschäftigen. Auf Wunsch von Kunden, Stadien oder je nach den Gesetzesbestimmungen des jeweiligen Landes, werde eine Gesichtserkennung in den Zutrittslösungen integriert. Damit sollen "Hooligan-Ausschreitungen" reduziert bzw. verhindert werden. In die Praxis wurde dies zum Beispiel beim Fußballstadion in Cracovia (Krakau) umgesetzt, so Lackner.
Aufmerksamkeit auf Sicherheit
Was die Sicherheit im Stadion betrifft, setzt man bei Siemens seit einigen Jahren auf hochauflösende Kameras. Mit vier Einheiten zu jeweils mehreren Kameras kann man heute bereits den gesamten Zuschauerraum überblicken "und zwar soweit, dass man nicht schwenken muss und die einzelnen Gesichter erkennt". So kann die jeweilige Gegentribüne während der Veranstaltung aufgezeichnet werden.
Die Allianz Arena verfügt auch über ein modernes Brandmelde- und Evakuierungssystem. Ein Thema, das in neuen Stadien zunehmend berücksichtigt wird, ist es sicherzustellen, dass Lautsprecherdurchsagen des Stadionsprechers oder des Evakuierungssystems im Fall eines Zwischenfalls auch tatsächlich gehört werden. Mit Messmikrofonen wird daher der Geräuschpegel ständig gemessen. Mit Hilfe dieser Informationen wird die Lautsprecheranlage entsprechend ausgesteuert - die Lautstärke der Durchsagen liegt immer neun Dezibel über dem aktuellen Geräuschpegel.
Stadien als Unterhaltungs-Arenen
Ein weiteres großes Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in Stadien Einzug gehalten hat, ist der Entertainment-Aspekt. Zur Unterhaltung der Besucher abseits des Spiels braucht es mittlerweile zum Beispiel "ein wesentlich erweitertes Soundsystem". Je nachdem, wie die Ränge gestellt sind, müssen die Schallwege eigens eingestellt und vermessen werden. Über die letzten zehn Jahre wurden aber auch immer größere Videoleinwände in den Arenen installiert. Das enorme Gewicht der LED-Panels müsse mittlerweile auch in der Planung von Dachkonstruktionen berücksichtigt werden.
Ein neuer Trend sei auch, Video-Diplays auf den Betonbrüstungen zwischen den Rängen durchgehend im Rondo des Stadions anzubringen. Dieser Ansatz biete sich vor allem bei Indoor-Arenen an und ist in den USA bereits weit verbreitet. In Zukunft werde diese Technologie aber auch in Fußballstadien Anwendung finden, so Wischy.
Fassade aus bewegten Bildern
Pionierstatus habe die Allianz Arena auch im Hinblick auf die Beleuchtung der Außenfassade. Das Münchner Stadion wird mittels Leuchtstoffröhren in die jeweiligen Klubfarben der Heimmannschaft gehüllt. "Es ist auch ein zunehmender Trend, aktive Leuchtelemente zu nehmen." Es gebe bereits Ideen, selbstleuchtende LEDs auf Maschendraht aufzubringen, den man dann wie einen Vorhang außen um das Stadion legt. Das Geschehen im Inneren des Stadions könnte man so direkt auf die Außenfassade übertragen, erklärte Wischy.
Auch punkto Kommunikationstechnologien habe sich in der jüngsten Vergangenheit viel getan. Wenn 60.000 Menschen mit internetfähigen Mobiltelefonen ausgerüstet in der Arena Platz nehmen, brauche es entsprechende Technik, um den Betrieb der Handys auch zu gewährleisten.
Daneben werden VIP-Areale und Logenplätze auch in Europa immer wichtiger. "Fast ein Drittel der Einnahmen läuft über diese Kategorie von Plätzen." Die technische Herausforderung bestehe vor allem in der Heizung, bzw. Kühlung der Plätze. Dafür braucht es Systeme, die man in den langen Zeiträumen, in denen das Stadion nicht genützt wird, möglichst energiesparend auf kleinster Stufe fahren kann.
Energieeffizienz schafft Wirtschaftlichkeit
Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungsorten machen in Stadien gerade die Tage, an denen keine Veranstaltung stattfindet, den Großteil aus. Man brauche daher hochmoderne Gebäudemanagementsysteme, bei denen "wirklich alles abgeschaltet werden kann, was nicht notwendig ist". Wischy: "Man kann nirgendwo so viel sparen, wie im Stadion, da kein Gebäude so wenig genutzt wird". In manchen Bereichen könne man so zwar nur ein paar Prozentpunkte einsparen, insgesamt falle das aber durchaus ins Gewicht. Gerade der Aspekt des Energieverbrauchs bestimme zu einem großen Teil, ob man beim Betrieb eines Stadions in die schwarzen Zahlen kommt.
Die Münchner Arena sei eines der wenigen Stadien, die tatsächlich Gewinne erzielen, so Wischy. Grundsätzlich sei es schwer, ein Stadion gewinnbringend zu nutzen, wenn dort nicht mindestens 35 Veranstaltungen stattfinden. Ein Vorteil sei, dass in der Allianz Arena zwei Vereine ihre Heimspiele austragen, Spiele auf europäischer Ebene, sowie ab und zu auch Länderspiele und Konzerte stattfinden.
Vorbeugen gegenüber Ausfällen
Auch die Medientechnik hat eine unbestritten große Bedeutung im modernen Sport. TV-Übertragungsrechte tragen ganz erheblich zu den finanziellen Einnahmen bei, sowohl im Fußball, als auch bei Olympia. "Von daher ist der Anspruch an die Bildübertragung enorm hoch", da bereits Ausfälle von wenigen Sekunden hohe Kosten verursachen. "Aus diesem Anspruch kommt ein sehr redundantes Energiekonzept, das in drei Stufen abläuft." Das Stadion wird zuallererst von zwei unabhängigen Stromleitungen aus der Stadt versorgt. Weiters gibt es Generatoren, die sogar Ausfälle beider Leitungen kompensieren können und die wichtigen Systeme aufrechterhalten. Außerdem gibt es ein Batteriesystem, das die etwa ein bis zwei Minuten bis zum vollen Anlaufen der Versorgung durch die Generatoren überbrücken kann.
Bei temporären Veranstaltungen wie Olympischen Spielen ist der technische Aufwand vor allem während der Veranstaltung hoch. Bei richtigen Leichtathletikstadien, die bei Olympia zum Einsatz kommen, würde sich eine technologische Infrastruktur wie bei einer Fußballarena auf lange Sicht aber nicht rechnen. Gerade im Entertainmentbereich mache man bei solchen Sportstätten Abstriche und auch die Medientechnik sei auf die temporäre Nutzung ausgerichtet. Für kleine Stadien, wie sie in Österreich großteils existieren, gelten andere Regeln. "Bei solchen Stadien ist natürlich die ökonomische Ausrichtung am wichtigsten", so Wischy. Man verzichtet daher auf aufwendige Unterhaltungstechnologie oder neuartige Außenfassaden. "Wo man generell nicht spart, ist die Gebäudetechnik". Gibt es allerdings nur eine Haupttribüne, reiche es, den Großteil der Technik dort einzubauen, was viel Geld spart. Außerdem würden Logenplätze eine eher untergeordnete Rolle spielen, so der Experte.
Von Nikolaus Täuber und Mario Wasserfaller/APA-Science