Barbara Streicher: "Medien verlängern Besuch im Science Center"
In der Wissenschaftsdidaktik gehe der Trend klar in Richtung Interaktivität und medialer Erweiterung von Ausstellungen, so die Geschäftsführerin des Vereins ScienceCenter-Netzwerk, Barbara Streicher, im Gespräch mit APA-Science. Der Verein verbindet einen Großteil von Österreichs Wissenschaftsvermittlern. Mit der "ECSITE Annual Conference" konnte man zum heurigen Zehn-Jahres-Jubiläum gemeinsam mit dem Universalmuseum Joanneum und dem Grazer Kindermuseum FRida & freD die größte europäische Veranstaltung zur Wissenschaftskommunikation nach Graz holen.
APA-Science: Wie hat sich die Wissenschaftsvermittlung in den vergangenen Jahren in ihrem Bereich verändert?
Barbara Streicher: Wenn man sich Österreich anschaut, dann ist die Szene der Wissenschaftsvermittlung einfach größer, vielfältiger und interaktiver im Sinne von "hands-on" geworden. Ich denke, dass jetzt der Ansatz der Science-Center-Didaktik stärker genutzt und vertreten wird. Ich glaube, dass mit Ideen wie Citizen Science oder Responsible Science auch auf Seiten der Wissenschafter und Wissenschafterinnen der Boden stärker aufbereitet wurde. Es liegt also bei Weitem nicht mehr nur an Museen und Science-Centern, Wissenschaftsvermittlung zu betreiben.
APA-Science: Der Trend in Österreich in Richtung Bürgerbeteiligung oder Open Innovation ist für Sie also mehr als ein politisches Schlagwort?
Streicher: Man muss natürlich aufpassen, was man damit tut. Man kann es auch als reines Schlagwort verwenden - ich fürchte, dass es auch viele so halten. Andererseits ist der Trend natürlich ein gewisser Rückenwind für diejenigen, die gerne etwas tun wollen und bisher zu wenig Rückhalt hatten. Das sind jetzt Argumente, die man gut nutzen kann. Darum beschäftigen wir uns als Netzwerk auch stark mit der Frage, ob hier tatsächlich ein neues Konzept entsteht
APA-Science: Ist das auch ein internationales Thema?
Streicher: Es wird sehr wohl intensiv über die Rolle der Science-Center und Science-Museen in diesem Zusammenhang gesprochen. Die Frage ist, wie sie aus ihrer Expertise heraus das Thema herunterbrechen können. Diese Einrichtungen haben ja Zugang zu vielen Zielgruppen und können noch stärker als Orte der Begegnung zwischen Wissenschaft und Bevölkerung dienen.
APA-Science: Abseits dieses Großthemas, welche neuen Vermittlungs-Ansätze sind ihnen in der jüngeren Vergangenheit aufgefallen?
Streicher: Mediennutzung ist in der Community schon länger ein größeres Thema. Hier geht der Trend in Richtung Personalisierung - also, dass die Besucherinnen und Besucher oftmals eine Chipkarte bekommen, mit der sie in Ausstellungen selbst Informationen abrufen können. Medien werden auch zunehmend dazu verwendet, den Besuch zu verlängern. Etwa durch Onlineangebote können sich Menschen mit dem, was sie erfahren haben, nochmals vertieft auseinandersetzen. Ein junger Besucher hat das einmal auf den Punkt gebracht und gesagt: "Ins Science-Museum gehe ich, um Spaß zu haben, und nachher google ich das dann."
APA-Science: Inwiefern ist in der Community ein Thema, welche Bevölkerungsgruppen die Angebote eigentlich wahrnehmen?
Streicher: Museen sind sich seit vielen Jahren der Tatsache bewusst, dass sie nicht die volle Breite der Bevölkerung ansprechen. Mit Outreach-Aktivitäten will man etwa ganz bestimmte Gruppen direkt ansprechen. Auch intensiv diskutiert wird jetzt, inwiefern Migranten und Migrantinnen oder Flüchtlinge über das recht neutrale Thema "Wissenschaft" angesprochen werden können. Inklusion ist ein großes Thema, das wir auch im Netzwerk vorantreiben.
APA-Science: Weicht sich aus ihrer Sicht der Befund 'Österreich ist wissenschaftsskeptisch' langsam auf?
Streicher: Es ist zu früh, um sagen zu können, ob hier wirklich eine große Veränderung stattfindet. Ich würde die Grundstimmung immer noch als skeptisch bezeichnen, aber nicht als wissenschaftsfeindlich. Es herrscht noch Distanz - auch positive Distanz. Dass Forschung aber wirklich etwas ist, das mich persönlich betrifft - wo ich tatsächlich mittun und mitreden kann - ist noch nicht wirklich angekommen. Das könnte sich durch Citizen Science-Ansätze verändern. Allerdings ist die Frage, ob da nicht wieder genau die Bevölkerungsteile mitmachen, die sich so und so schon interessieren. Die Lange Nacht der Forschung oder die Science Busters zeigen schon, dass es grundsätzlich viel Interesse an Wissenschaft gibt. Viele Menschen denken aber, dass es nichts für sie persönlich ist.
APA-Science: Wie kann das verändert werden?
Streicher: Zum einen müssten in der Vermittlung mehr Alltagsbezüge herausgearbeitet werden. Wenn etwa ein Elternteil Mechaniker ist, gibt es schon sehr viele Bezüge zu Forschung, Technik und Entwicklung. Außerdem muss es viel Raum für Nachfragen und Dialog geben. So kann der Bereich näher gerückt werden und die Wissenschaft wird für die Bevölkerung selbstverständlicher.
Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA-Science
ScienceCenter-Netzwerk seit zehn Jahren in Forschungsvermittlung aktiv
Seit 2006 unterstützt der Verein ScienceCenter-Netzwerk bestehende Initiativen zur Wissenschaftsvermittlung mit dem Ziel, deren Aktivitäten zu bündeln und sichtbarer zu machen sowie neue Projekte anzuregen. Gegründet wurde die Plattform auf Anregung von Margit Fischer, der Ehefrau von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer.
Mittlerweile zählt man 160 Partner - vom Astronomischen Büro Wien bis zum Zoom Kindermuseum - aus den Bereichen Vermittlung, Bildung, Kunst und Medien, Wirtschaft, Forschung und Museen. Das Netzwerk ist nicht nur Plattform, sondern hat in den vergangenen Jahren selbst immer wieder Vermittlungsarbeit geleistet. Etwa mit den drei interaktiven Wissenschaftsausstellungen "Erlebnis Netz(werk)e", "Grenzgenial" und "Wirkungswechsel", die an insgesamt rund zwei Dutzend Standorten in Österreich zu sehen waren. Zudem bietet das Netzwerk seit 2013 mit den "Wissensräumen" in leer stehenden Geschäftslokalen in Wien einen niederschwelligen Zugang zur Wissenschaft und veranstaltet Themenwochen mit Aktivitäten im ganzen Land, zum Beispiel zu Mobilität oder Weltraum.