Elisabeth Oberzaucher: "Wissenschaft ist nicht gleich Showbusiness"
Die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher ist nicht nur eine umtriebige Forscherin, sie scheut auch nicht davor zurück, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit auf kreative und unterhaltsame Art und Weise nahezubringen. Das hat der an der Universität Wien tätigen Forscherin nicht nur einen berühmt-berüchtigten "Ig-Nobelpreis" in Mathematik eingebracht, sondern auch einen Platz in der neu formierten erfolgreichen Wissenschaftskabarettgruppe "Science Busters". Mit APA-Science sprach sie über die Wechselbeziehung zwischen Wissenschafterinnen bzw. Wissenschaftern und Medien.
APA-Science: War der Ig-Nobelpreis für ihre Untersuchung darüber, unter welchen Voraussetzungen es möglich gewesen sein könnte, dass der marokkanische Herrscher Moulay Ismael 888 Kinder gezeugt hat, der finale Anstoß für Sie, in die breitere Öffentlichkeit zu gehen?
Elisabeth Oberzaucher: Ich war eigentlich immer schon sehr aktiv, was die Vermittlung unserer Forschungsarbeit betrifft. Mein erster Liveauftritt im Fernsehen war schon im Jahr 2000. Im Prinzip habe ich immer schon viel mit den Medien zusammengearbeitet, ob das Print, Radio oder Fernsehen ist. Ich habe auch sehr gute Kontakte mit sehr professionell arbeitenden Journalisten gehabt. Das bereitet mir auch sehr viel Freude.
APA-Science: Sehen Sie Wissenschaft auch ein wenig als "Showbusiness"?
Oberzaucher: Wissenschaft ist natürlich nicht dem Showbusiness gleichzustellen, aber ich finde, wir sind dazu verpflichtet, die Steuerzahler darüber zu informieren, was wir eigentlich mit dem Geld machen. Es wäre begrüßenswert, noch mehr davon an die Frau und den Mann zu bringen, was wir so tun. Es passiert einfach sehr viel Großartiges. Es tut mir aber leid, dass die öffentliche Wahrnehmung von den Wissenschaften immer ein wenig verquer ist. Eben weil es Themen gibt, die medienwirksamer und mitreißender sind - dazu gehören sicher auch meine Forschungsthemen. Und dann gibt es andere, wo es schwieriger ist. Das hängt vielleicht auch oft damit zusammen, dass Dinge schwieriger zu bebildern sind. Meiner Erfahrung nach ist das eines der Hauptanliegen von Journalisten. Wenn eine Geschichte optisch nichts hergibt, tun sie sich auch schwer. Hier liegt ein bisschen der Hund begraben und daran müssen beide Seiten arbeiten - sowohl Wissenschafter als auch Journalisten.
APA-Science: Wer könnte hier entscheidende Impulse setzen?
Oberzaucher: Ich glaube, die Wissenschaftsinstitutionen sollten auch mit neuen Ideen darangehen, Wissenschafter verschiedenster Fakultäten dabei zu unterstützen, Medienarbeit wirklich effektiv zu leisten.
APA-Science: Was bräuchte es dazu?
Oberzaucher: Es gibt ja bereits Uni-Pressestellen, die etwa beim Verfassen eines Pressetextes unterstützen. Ich denke aber, das geht nicht weit genug. Wir Forscher müssen wirklich weiterverfolgen, die Materialien, die wir zur Verfügung stellen können, mediengerechter aufzuarbeiten. Manche vergessen einfach während der Forschungsarbeit darauf, anschauliche Bilder zu machen. Daher denke ich, dass schon Studierende lernen sollten, wie man mit Medien umgeht. Damit meine ich Wissenschaftskommunikation im weitesten Sinne, aber auch konkret, dass ich dazu in der Lage bin, mit dem Publikum zu kommunizieren. Wir werden geschult, mit Fachkollegen zu sprechen, aber relativ wenig darauf, mit jenen zu reden, die keinen fachlichen Hintergrund haben. Die angelernte Fachsprache wieder ein Stück zurückzuübersetzen, ist etwas, das wir üben müssen. Das ist mir auch in meinen Lehrveranstaltungen ein Anliegen. Denn das braucht man nicht nur für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, sondern auch für die interdisziplinäre Zusammenarbeit - man muss nicht immer an Medienarbeit denken, wenn man an barrierefreies Kommunizieren denkt.
APA-Science: Stichwort "barrierefreies Kommunizieren" und dessen Wirkung innerhalb der Community: Wie kommt denn ihr mediales Engagement in Wissenschafter-Kreisen an?
Oberzaucher: Ich habe sehr viel positives Feedback bekommen - vor allem für die jüngsten Entwicklungen, also den Ig-Nobelpreis und meine neue Aktivität bei den Science Busters. Das sind Dinge, die interessanterweise in den Augen vieler Kollegen und Kolleginnen Mut voraussetzen. Wobei ich das nie als besonders mutig angesehen habe. Hier zeigt sich auch, dass das Verhältnis zwischen Wissenschaftern und Medien nicht immer friktionsfrei ist. Es gibt einige Wissenschafter, die sich vor Medienarbeit fürchten - aus Angst, falsch zitiert zu werden. Ich habe auch Lehrgeld gezahlt. Bei mir sind schon Dinge auf unangenehme Art und Weise schiefgegangen, und darauf haben mich dann Kollegen mit einem "Was war denn das?" angesprochen. Aber unterm Strich überwiegen die positiven Erlebnisse bei Weitem.
APA-Science: Wie reagiert die Öffentlichkeit auf ihre Medienpräsenz? Werden sie vermehrt auf der Straße oder im Freundeskreis angesprochen?
Oberzaucher: Mein Freundeskreis sagt mir schon immer, wo sie mich wann gesehen haben. Aber da es jetzt mehr wird, kommt auch entsprechend mehr Feedback. Auf der Straße wurde ich erst einmal darauf angesprochen.
APA-Science: Haben Sie bei all ihren Aktivitäten den Eindruck, dass das Interesse an Wissenschaft insgesamt zunimmt?
Oberzaucher: Das kann man natürlich nicht über einen Kamm scheren. Es gibt viele Leute, die sehr interessiert sind und viele Aktivitäten, wie das Forschungsfest oder die Kinderuni, die sehr gut ankommen, und in deren Rahmen Grenzen zwischen Forschungsinstitution und den Menschen abgebaut werden. Es gibt aber immer noch viele Leute, die fragen: "Wozu soll das gut sein?" Mit einfachen Erklärungen tut sich vor allem die Grundlagenforschung oft schwer. Würde man diese Forschung abschaffen, gebe es aber keine großen Fortschritte mehr.
APA-Science: Orientieren sich Forscher ihrer Erfahrung nach bei der Auswahl von wissenschaftlichen Projekten unter anderem an deren potenzieller medialer Verwertbarkeit?
Oberzaucher: Natürlich ist es Teil unseres Berichtswesens, auch unsere Medienarbeit zu dokumentieren. Das fließt aber keineswegs in unsere Leistungsbewertung ein. Was wir nach außen kommunizieren ist da ein "Nice-to-have", aber nichts, was bei einer wissenschaftlichen Karriere hilft.
APA-Science: Sie scheuen nicht davor zurück, sich im Rahmen eines Wissenschafts-Kabaretts zu engagieren. Insgesamt tun sich viele Teile der Wissenschaft aber schwer damit, sich ironisch und lustig zu präsentieren. Was steht dem entgegen?
Oberzaucher: Das ist kulturell sehr unterschiedlich. Dadurch, dass ich jetzt im Editorial Board des Magazins bin, das für den Ig-Nobelpreis verantwortlich zeichnet, lerne ich darüber gerade sehr viel. Ich muss feststellen, dass wir Österreicher und auch die Deutschen in der Beziehung schon ganz besonders stocksteif sind. Schaut man sich etwa bei den Briten oder Skandinaviern um, dann erkennt man einen ganz anderen Zugang dazu. Es ist auch eine Qualität bei Forschern, sich auch mal selbst nicht so ernst zu nehmen und auch bereit zu sein, zuzugeben, wo man sich geirrt hat. Das können zum Beispiel die Briten um Welten besser als wir.
APA-Science: Verfolgen Forscher eigentlich die Wissenschaftsberichterstattung?
Oberzaucher: Natürlich ist die Wissenschaftsberichterstattung auch für uns eine wichtige Angelegenheit. Vor allem dann, wenn Forscher einen Überblick über den Tellerrand des eigenen Gebietes haben wollen. Da tut sich zum Glück auch sehr viel: Ich bin zum Beispiel leidenschaftliche Podcast-Hörerin geworden - etwa von wissenschaftlichen Zeitschriften. So kann ich ein Ohr darauf haben kann, was sich in der Wissenschaft insgesamt tut.
APA-Science: Wie kommt denn die Arbeitsweise von Journalisten auf Seiten der Forschung an? Was sollte man besser machen?
Oberzaucher: Ich verstehe den Impuls, jemanden anzurufen, mit dem man schon gut zusammengearbeitet hat, aber Journalisten könnten beispielsweise mehr recherchieren, welchen Forscher sie zu einem bestimmten Thema anrufen. Manchmal bräuchte es vielleicht mehr Mut, auch Geschichten zu erzählen, die nicht auf den ersten Blick "sexy" erscheinen. Ich glaube schon, dass es bei sehr viel öfter möglich ist, etwas medial gut aufzubereiten. Ich würde mir hier einen kreativeren Zugang von Journalisten und Forschern wünschen. Das Geheimnis liegt in der Zusammenarbeit.
Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA-Science
Ig-Nobelpreis: Der "Anti"-Nobelpreis
Der Ig-Nobelpreis (englisch-/französischsprachiges Wortspiel: ignoble = unwürdig, schmachvoll, schändlich), gelegentlich als Anti-Nobelpreis bezeichnet, ist eine satirische Auszeichnung, um wissenschaftliche Leistungen zu ehren, die "Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen" ("to honor achievements that first make people laugh, and then make them think"). (Quelle: Wikipedia)
Oberzaucher hat diese Ehrung 2015 persönlich abgeholt. Sie hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Karl Grammer mit Hilfe eines mathematischen Modells analysiert, ob und unter welchen Voraussetzungen der marokkanische Herrscher Moulay Ismael (1634-1727), genannt der "Blutrünstige", tatsächlich 888 Kinder gezeugt haben könnte, wie es in der Überlieferung heißt und im Guinness Buch der Rekorde vermerkt ist. Für diese Arbeit wurden sie mit dem Ig-Nobelpreis in Mathematik ausgezeichnet. "Das ist wirklich eine Menge Arbeit", sagt Oberzaucher, "er müsste jeden Tag seines Lebens ein- bis zweimal Sex gehabt haben."
Science Busters: Ein Kabarett-Dreamteam für die Wissenschaft
Im Jahr 2007 gründeten der theoretische Physiker Heinz Oberhummer, der Experimentalphysiker Werner Gruber und der Kabarettist Martin Puntigam die "Science Busters". Mit ihrem unverkennbaren Mix aus Wissenschaftsvermittlung und Kabarett erreichte die selbst ernannte "schärfste Science-Boygroup der Milchstraße" auf der Bühne, im Radio, im Fernsehen und als Buchautoren ihr ständig wachsendes Publikum. Nach dem Tod Oberhummers im November 2015 werden "Science Busters" von Gästen unterstützt - darunter mit der Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher auch erstmals eine Frau.
Um den wissenschaftlichen Horizont des Publikums zu erweitern, war schon der Original-Combo nahezu jedes Mittel recht: Bei ihren Auftritten rauchte, krachte und qualmte es regelmäßig, und auch vor dem Griff zur E-Gitarre schreckte Oberhummer nicht zurück. Über das ORF-Radio "FM4" führte der mediale Werdegang des Trios bis ins ORF-Fernsehprogramm. Ihre Bücher wie "Wer nichts weiß, muss alles glauben", "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln" oder "Das Universum ist eine Scheißgegend" sind allesamt Bestseller und im Februar 2016 erhielten die Science Busters den Deutschen Kleinkunstpreis. Bei der Preisverleihung trat die Gruppe bereits mit dem Astronomen und Wissenschaftsautor Florian Freistetter auf. Neben Freistetter und Oberzaucher gibt es mit dem Molekularbiologen Helmut Jungwirth, dem US-Physiker Ronald Mallett oder dem Kabarettisten Gunkl noch weitere neue Science Busters.