FHs docken langsam an Grundlagenforschung an
Der Gedanke, Menschen vor allem anwendungsorientiert auszubilden, war die Grundlage für die Schaffung der österreichischen Fachhochschulen (FH) – kein Wunder also, dass auch in der Forschung dieser Ansatz dominiert. Trotzdem gibt es einzelne Forschungsgebiete und Wissenschafter, die auch an FHs in Bereichen zwischen der Grundlagen- und der angewandten Forschung tätig sind. Diese Initiativen sind zwar auf einzelne FHs und auch dort meist auf Teilbereiche konzentriert, es gibt aber Signale, die darauf schließen lassen, dass sich in diesem Bereich zukünftig mehr tun könnte.
Im Zeitraum zwischen 2008 und 2011 haben FH-Forscher insgesamt 54 Förderanträge bei dem für die Unterstützung der österreichischen Grundlagenforschung zuständigen Wissenschaftsfonds FWF gestellt. Davon wurden 14 Projekte bewilligt, wie der FWF der APA mitteilte. Das Gesamtfördervolumen betrug etwa 3,3 Mio. Euro, ungefähr 2 Mio. flossen direkt an FHs. Im Hinblick darauf, dass der FWF 2011 195,2 Mio. Euro ausschüttete wird allerdings klar, wie klein der FH-Anteil ist.
Zunehmende Diskussionen
In der Fachhochschulkonferenz (FHK) sei die Frage der Durchführung von Forschungsvorhaben, die in Richtung Grundlagenforschung gehen, in letzter Zeit zunehmend diskutiert worden, wie der Molekularbiologe Thomas Czerny von der FH Campus Wien gegenüber der APA erklärte. "Das hat auch darin geendet, dass sich der FWF in einer Veranstaltung den FHs vorgestellt hat." Dabei ging es darum, konkrete Anknüpfungspunkte zwischen dem FWF und den Fachhochschulen zu finden, so der Forscher.
Ein Grund dafür, dass man bisher noch nicht so ganz zueinander gefunden hat, liegt möglicherweise in den Vergaberegeln des FWF und dem vorherrschenden Selbstbild der FHs. FWF-Projekte werden nicht, wie manche andere Förderungen, an eine Institution, sondern an Personen vergeben. Für die Universitäten sei diese Form der Vergabe „völlig normal. Die FHs können damit aber möglicherweise noch nicht so gut umgehen“, vermutet Czerny.
Der Forscher kennt das aus eigener Erfahrung. Als Czerny zum ersten Mal ein FWF-Projekt anpeilte, wurde das mancherorts als etwas angesehen, "das nur mir etwas nutzt". Dass das eine gängige Form der Forschungsförderung ist, müsse noch überall erkannt werden - ein Prozess der gerade im Laufen sei.
Grundlagennahe Forschung habe an manchen FHs auch noch ein wenig Reizwortcharakter, "weil Nähe zur Praxis ja ein Grundprinzip der Lehre an FHs darstellt", so der Molekularbiologe. In vielen Feldern würden die FHs erst anfangen zu forschen, da sei es natürlich naheliegend, im angewandten Bereich zu beginnen. "Wirklich innovative Forschung beinhaltet aber immer auch Grundlagenforschung", so Czerny. "Man stößt einfach in Bereiche vor, die noch nie jemand zuvor bearbeitet hat." Dabei sei es eigentlich egal, ob man sich im "akademischen Elfenbeinturm befindet, oder schon eine konkrete Anwendung vor Augen hat."
Unterstützung für Forscher wichtig
Auch Hans-Georg Beyer vom Forschungszentrum für Prozess- und Produktengineering an der FH Vorarlberg (FHV) ist im Grenzbereich zwischen Grundlagen und angewandter Forschung tätig. Für den Informatiker ist vor allem wichtig, dass man als Forscher an den FHs Unterstützung erfährt, wenn man ein Projekt mit Verbindungen in die Grundlagenforschung auf den Weg bringen will. Auch er ortet mancherorts noch Skepsis gegenüber derartigen Initiativen, weil die Grundausrichtung der Hochschulen klarerweise stark anwendungsorientiert ist und auf Kooperation mit der lokalen Industrie abzielt, wie er im Gespräch mit der APA erklärte.
Beyer kam 2004 von einer deutschen Universität an die FHV. Mit seinen ersten Versuchen, beim FWF Mittel einzuwerben, war er auch erfolgreich. Für den Forscher war überraschend, dass es nicht von einer Position an einer Universität abhängt, ob man einen FWF-Antrag stellen kann. „Man wird nicht per se aussortiert, weil man unter Anführungszeichen 'nur' an einer FH oder einer anderen Forschungseinrichtung ist“ - eine Offenheit, die Beyer sehr positiv sieht. Mittlerweile hat der Wissenschafter mehrere FWF-Projekte abgewickelt, eines läuft aktuell. Dem Forschungszentrum für Prozess- und Produktengineering der FHV wurden insgesamt bereits fünf FWF-Projekte zuerkannt.
Auch Czerny kommt aus der universitären Forschung. Dort war er in Bereichen tätig, "wo ich eigentlich nie an eine Anwendung gedacht habe". Seit dem Wechsel an die FH sehe er nun fast überall einen Anwendungsbezug, auch wenn dieser teilweise noch sehr weit weg sei. Czerny: "Ich arbeite jetzt im Bereich der anwendungsorientierten Grundlagenforschung."
Gerade die Biotechnologie habe prinzipiell ein Naheverhältnis zur Grundlagenforschung, was man auch in der Forschung der Pharma- und Biotechindustrie gut beobachten könne. Auch seien alle Kollegen im Fachbereich Biotechnologie der FH in der universitären Forschung "groß geworden". Logischerweise nehme man damit eine gewisse Sonderstellung in der FH-Landschaft ein, so Czerny, der eine eigens eingerichtete Stiftungsprofessur der Stadt Wien für Funktionelle Genomforschung bekleidet.
Gute Rahmenbedingungen an der FHV
Im Vergleich zu anderen FHs sieht sich auch Hans-Georg Beyer an der FHV in einer speziellen Situation. Die Rahmenbedingungen für grundlagenorientierte Forschung seien hier möglicherweise besonders gut. Aufgrund der Tatsache, dass es in Vorarlberg keine Universität gibt, habe man versucht, das mit der Einrichtung von Forschungszentren an der FH zu kompensieren.
Die FHV biete „sehr gute Bedingungen“, da an den Forschungszentren Forschungsprofessuren eingerichtet wurden, bei denen die Lehrverpflichtung relativ gering ist, was den Wissenschaftern genug Zeit für die Forschung lässt. Solche Modelle seien aber für Österreich, als auch für Deutschland eher untypisch, so der Informatiker.
Generell gebe es in Österreich große Unterschiede, was die Forschungsaktivitäten an den Fachhochschulen betrifft. „Manche sind forschungslastiger, andere wieder nicht“, so Beyer. „Es ist es meiner Meinung nach aber so, dass auch die anderen FHs hier stark nachgezogen haben.“
Czerny führt ins Treffen, dass manche Bereiche, die nun an FHs angesiedelt sind, bis vor kurzem auch noch gar nicht akademisch gewesen seien, wie etwa der Gesundheitsbereich. Eine Weiterentwicklung sei eindeutig zu erkennen, doch der Aufbau von Forschungsstrukturen brauche seine Zeit.
Da einige FHs schon viele Jahre intensiv in der Forschung tätig sind, wären sie mittlerweile auch entsprechend weit fortgeschritten und Grundlagenforschung werde zunehmend ein Thema. Von der FH Oberösterreich seien beispielsweise viele Impulse in Richtung FWF ausgegangen.
Das spiegelt sich auch in der Antragsstatistik des FWF (2008 bis 2011) wider. Die meisten Förderanträge, nämlich elf, stellten Forscher der FH OÖ. An zweiter Stelle folgt bereits die FH Vorarlberg (zehn Anträge), sowie die FH Campus Hagenberg (OÖ) und die FH Salzburg mit jeweils acht FWF-Anträgen, es folgt die FH St. Pölten mit fünf.
Dass sich diese Aktivitäten aber in wenigen Institutionen bündeln, wird umso klarer, da die Top-fünf der antragstellenden FHs 42 der insgesamt 54 Anträge auf sich vereinen. Seitens des FWF hält man gegenüber der APA fest, „dass der Wettbewerb um FWF-Mittel in den letzten Jahren bedeutend härter wurde und Institutionen, bei denen Grundlagenforschung wesentlich stärker im institutionellen Fokus steht als das bei FHs der Fall ist, über eine ungleich bessere Ausgangssituation verfügen, um im FWF-Qualitätswettbewerb zu reüssieren“. Gerade deshalb sieht man dort die Erfolge von FH-Angehörigen als „beachtlich“ an, „auch wenn die Zahl bewilligter Projekte im Beobachtungszeitraum 2008 bis 2011 vergleichsweise gering erscheint“.
Für Czerny ist jedenfalls klar, dass man noch aktiver werden müsse, um Verbindungen in die Grundlagenforschung auszubauen. Der Anwendungsaspekt sei kein prinzipieller Widerspruch für den FWF. Fast jedes medizinische Forschungsprojekt hätte zumindest als Fernziel die Anwendung beim Menschen. "Was der FWF fördert ist einfach hochqualitative Forschung und die ist für die FHs genauso interessant, wie für andere forschende Institutionen."
Fehlendes Promotionsrecht als Manko
Einer der Punkte, die die FHs aber noch stark von den Universitäten unterscheidet, ist das Recht, Doktortitel zu vergeben - sie verfügen über kein Promotionsrecht. „Das ist aber ein Punkt, der uns unter den Nägeln brennt. Forschung kann man nämlich nicht alleine machen, man braucht Doktoranden“, so Beyer. „Es ist für uns ein Problem, wenn man zwar die Forschung anbieten kann, die Promotion dann aber woanders stattfinden muss. Das verkompliziert die Sache natürlich“, so der FHV-Forscher. Es brauche dazu gute Zusammenarbeit mit Unis, die aber nicht in allen Bereichen gegeben sei.
Der Informatiker könnte sich vorstellen, dass ein auf gewisse Fachhochschul-Forschungsbereiche beschränktes Promotionsrecht hier Abhilfe schaffen könnte. Beyer: “So etwas kann aber nicht für die ganze FH gelten, weil zwischen den einzelnen Bereichen österreichweit doch sehr große Unterschiede bestehen.“ In speziellen Sparten, wo ein gewisser wissenschaftlicher Anspruch erreicht wird, könne das aber sinnvoll sein, ist sich der Wissenschafter sicher.
In Czernys Bereich gebe es diese Probleme weniger, da man die Unis sehr gut kenne und viele Kooperationen mit diesem Sektor bestehen. "Ich weiß aber, dass es in anderen Bereichen schlechter funktioniert." Auf einigen technischen Gebieten sei die Akzeptanz der heimischen Unis gegenüber den FHs oft nicht so gegeben, erklärte Czerny. Das führe in manchen Bereichen sogar dazu, dass sich österreichische FHs darum bemühen, mit deutschen Unis zu kooperieren.
Von Nikolaus Täuber / APA-Science