Haus der Geschichte - Historiker Karner sieht "eine Möglichkeit"
Der Historiker Stefan Karner war bis 2008 in die ursprüngliche Konzeption des Hauses der Geschichte involviert, das nun am 10. November als Haus der Geschichte Österreich (hdgö) seine Pforten öffnet. Karner war danach Gründungsdirektor des am 9. September 2017 eröffneten "Haus der Geschichte" im Museum Niederösterreich. Über Parallelen und Unterschiede der beiden Häuser sprach Karner mit der APA.
APA: Wie heute bekannt gegeben wurde, soll das hdgö künftig enger an das Parlament angebunden und möglicherweise in "Haus der Republik" umbenannt werden. Wie sinnvoll erachten Sie dies?
Karner: Ja, ich denke, dass eine derartige Konstruktion eine Möglichkeit darstellt, aus der schwierigen, teilweise verfahrenen Situation, herauszufinden. Jetzt wird es darauf ankommen, die Inhalte deutlich zu verbreitern, um so ein Haus der Republik wirklich interessant zu gestalten.
APA: Sie haben bereits 1997 eine erste Studie, 1999 eine Machbarkeitsstudie und 2006 im Rahmen einer Arbeitsgruppe ein Konzept für ein zu errichtendes Haus der Geschichte erstellt. Hätten Sie anfangs gedacht, dass es für die Realisierung knapp zwei Jahrzehnte dauern wird?
Karner: Was wir 1997-2008 in verschiedenen, sehr breiten Arbeitsgruppen und Studien geplant haben, war ein Haus der Geschichte der Republik Österreich, mit den relevanten Bezügen in das 19. Jahrhundert und den relevanten Bezugsebenen zu den zentraleuropäischen Staaten. Dazu wurde das Haus der Geschichte konzeptiv auf drei Sockel gestellt: Ausstellung(en), angewandte, vernetzte Forschung und Service, das heißt Diskussionsplattformen, Events, Filme, Anfragemöglichkeiten, etc.. Und drittens: Als Standort hatten wir einen modernen Bau am Gelände des Arsenal vorgesehen, eventuell in einer Kombination mit dem historischen Gebäude des Objektes IV. Dies ergäbe eine gute Verkehrsanbindung für Bahn, Auto, Busse und liegt auch nahe am Flughafen. Mit dem Belvedere, dem "20er-Haus" (nunmehr Belvedere 21; Anm.) und dem Heeresgeschichtlichen Museum hätte es eine ideale Museumsachse gebildet.
APA: Wie viel von Ihrem ursprünglichen Konzept ist im modernen hdgö noch enthalten? Worin liegen die größten Unterschiede?
Karner: Ich kenne das derzeitige Konzept und vor allem seine Umsetzung nicht. Aber was man hört und liest, wird es inhaltlich eine kleinere Ausstellung von rund 800 Quadratmetern werden. Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig, doch ein Haus der Geschichte der Republik Österreich sollte einfach mehr sein als ein paar künstlerische Installationen, Events und eine kleinere Ausstellung, in einem schwer zu bespielenden Gebäude und inhaltlich für einen sehr begrenzten Zeitraum.
APA: Was hat sich in der Zwischenzeit in puncto Didaktik und Darstellungsformen geändert?
Karner: Natürlich viel, doch geblieben ist eines: Es müssen Inhalte vermittelt und tauglich transportiert werden. Sonst hat jede Ausstellung ihr Ziel verfehlt.
APA: Sie waren Gründungsdirektor des Hauses der Geschichte Niederösterreich und haben die wissenschaftliche Leitung Anfang des Jahres an Christian Rapp übergeben. Lassen sich die Konzepte der beiden Häuser vergleichen? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es?
Karner: Nur sehr bedingt, eigentlich nicht: St. Pölten ist inhaltlich viel breiter, zeitlich und räumlich viel umfangreicher, in der Umsetzung sehr modern und bestückt mit tausenden Exponaten. Außerdem: Es hat die drei Säulen und hat derzeit zwei Ausstellungen: Erstens auf 2.500 Quadratmetern eine hoch professionelle, moderne Dauerausstellung mit den Bezügen in den zentraleuropäischen Raum (von Prag bis Lemberg und Triest), thematisch gegliedert und chronologisch geleitet von den Anfängen der Besiedelung des Raumes bis heute. Zweitens eine Schwerpunktausstellung zur "Umkämpften Republik Österreich 1918-1938", die allein Hunderte an Quadratmetern umfasst. Das Haus ist voll einzigartiger, nie gesehener Exponate. Über 100.000 Besucher haben das Haus schon besucht. Es ist schon jetzt ein voller Erfolg.
APA: Hat es im Vorfeld zu manchen Themen ähnliche - politische - Kontroversen wie beim hdgö gegeben?
Karner: Die Politik hielt sich völlig raus. Die einzige Vorgabe war eher sportlich: In drei (!) Jahren ein Haus der Geschichte auf die Beine zu stellen. Und wir haben es geschafft. Die vielen Diskussionen drehten sich einzig darum, wie kann man die Geschichte für die verschiedenen Gruppen an Besuchern so darstellen, dass die Besucher mit einem Mehrwert nach Hause gehen und interessiert wieder kommen, um sich in den einzelnen Bereichen weiter zu vertiefen. Auch das ist gelungen. Viele kommen zwei-, dreimal.
APA: War wie beim hdgö ein wissenschaftlicher Beirat involviert?
Karner: Ja, klar. 85 Historiker, Medien- und Museumsfachleute vor allem aus Österreich, einige auch aus Deutschland, Slowenien, Ungarn und Tschechien. Nicht wenige arbeiteten bei uns, später auch noch am Wiener Projekt mit. Österreich ist ja klein und die Zunft doch überschaubar. Gemeinsam mit Wolfgang Maderthaner, dem Generaldirektor des Staatsarchivs, durfte ich den Beirat leiten. In zig Arbeitsgruppen-Sitzungen wurde ein sehr gutes Konzept erarbeitet, das in Gestaltung und Umsetzung mit dem einstigen, von mir wesentlich mitgestalteten Konzept für Wien, nichts mehr zu tun hatte. Jetzt wird für St. Pölten gerade der neue wissenschaftliche Beirat zusammengestellt und konstituiert werden. Er wird den Direktor bei seinen Aufgaben weiterhin begleiten.
APA: Gibt es Synergien oder Kooperationen der beiden Häuser, zum Beispiel Objektleihgaben?
Karner: Soweit ich weiß, hat auch Niederösterreich der Wiener Ausstellung ein paar Leihgaben zur Verfügung gestellt. Sicher auch andere Landesmuseen. Was mir jedoch wirklich wichtig erscheint, ist: darüber nachzudenken, wie man in Österreich mit der modernen, musealen Darstellung seiner Geschichte weiter verfährt. Hannes Androsch hatte schon 2005 die Idee, doch beide großartigen Ausstellungen zum Staatsvertrag, auf der Schallaburg und im Belvedere, zusammen zu bringen. Dies wäre letztlich mehr als eine Kooperation gewesen.
APA: Wo könnte/sollte die Reise des hdgö in räumlicher Hinsicht hingehen?
Karner: Was man in Wien vorhat, weiß ich natürlich nicht. Jedenfalls sind im Vorfeld die wichtigsten Fragen zu klären: Umfang, Finanzierung und inhaltliche Zielsetzung und Standort. Ich gebe zu bedenken: Bonn, obwohl weit von Berlin entfernt, hat mit seinem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jährlich 1 Million Besucher. Das Deutsche Historische Museum, mitten in Berlin, weniger. Entfernungen von wenigen Kilometern, 15 bis 20 Minuten per Zug erreichbar, spielen heute keine Rolle mehr.
ZUR PERSON: Stefan Karner war bis seiner Emeritierung Ende Februar 2018 Vorstand des Institutes für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Universität Graz, Gründer und Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgen-Forschung und Leiter des Medienlehrgangs der Universität Graz. Mit 1. Jänner 2018 folgte ihm Christian Rapp als wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte Niederösterreich nach.
(Die Fragen stellten Mario Wasserfaller und Sonja Harter / APA)