hdgö-Chronologie: 100 Jahre Anlauf
Der Anlauf für das "Haus der Geschichte", das nun am 10. November mit einer Ausstellung zum 100-jährigen Republiksjubiläum eröffnet, ist ebenso alt wie der nun beleuchtete Zeitraum selbst. Folgend ein kursorischer Überblick über Ideen, Machbarkeitsstudien und Verwerfungen.
Die Errichtung eines Museums zur österreichischen Geschichte war schon unmittelbar zu Beginn der Ersten Republik erstmals Thema. So dachte der Staatsrat bereits 1919 an die Einrichtung einer "Geschichtskammer", die in der Republik Deutsch-Österreich "kulturelle, identitätsstiftende Werte" vermitteln sollte. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Thema jedoch in der Schublade, 1946 wurden dafür gleich zwei Institutionen geplant: Im Leopoldinischen Trakt der Hofburg wollte der damalige Bundespräsident Karl Renner ein "Museum der Ersten und Zweiten Republik" etablieren, das bis zu Renners Tod 1951 aber nur teilweise realisiert wurde. Am Heldenplatz entstand in der Neuen Burg parallel ein "Museum für Österreichische Kultur": Dessen Bestände wurden 1975 aufgrund sinkender Besucherzahlen magaziniert und erst 1987 in Eisenstadt für einige Jahre wieder gezeigt.
Diskussionen in den 1980er-Jahren
Diskussionen um die Errichtung eines Hauses der Geschichte flammten in den 1980er-Jahren wieder auf, als ein "Haus der Republik" am Albertinaplatz angedacht wurde. Als nächste Idee brachte Leon Zelman, Leiter des Wiener Jewish Welcome Service, Mitte der 1990er ein "Hauses der Toleranz" im Palais Epstein ins Spiel, das vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und der EU-Beobachtungsstelle gegen Rassismus etabliert werden sollte - hier kam es sogar zu einer Machbarkeitsstudie. Parallel dazu forcierte der damalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) Manfried Rauchensteiner die Erweiterung des HGM um ein "Österreichisches Nationalmuseum", was schließlich in der Dauerausstellung "Republik und Diktatur. Österreich 1918-1945" im HGM mündete.
2002 formierte sich schließlich ein Proponentenkomitee, dem unter anderem Architekt Gustav Peichl und die Schauspielerin Elisabeth Orth angehörten. Trotz Drängens fast aller Parteien und der Wiener Stadtpolitik drehte sich das Projekt im Kreis. So schlug etwa Andreas Khol (ÖVP) den Wiener Morzinplatz - während der NS-Herrschaft das Hauptquartier der Gestapo - als Standort vor. Den nächsten Anlauf für das "Haus der Geschichte" unternahm Khol im Jahr 2005, als das Parlament endgültig ins Palais Epstein einzog und dieses damit als Standort nicht mehr zur Verfügung stand.
Zwischen parteipolitischen Fronten
Nun schlug der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) eine Anbindung an das HGM vor, der damalige Bundespräsident Heinz Fischer unterstützte die Idee des Industriellen Hannes Androsch, die Staatsvertragsausstellungen im Belvedere und auf der Schallaburg zu einem "Haus der Geschichte" zusammenführen. 2006 war das "Haus der Geschichte" längst zwischen die parteipolitischen Fronten geraten. Während die SPÖ beklagte, die ÖVP könnte das Projekt für sich instrumentalisieren, beklagten Wissenschafter das Fehlen jeglicher Information über die Planungen. Im April wurde zuerst eine Arbeitsgruppe, dann eine Expertengruppe konstituiert. Und auch eine neue Standort-Variante kam zu Schüssels Favorit, dem Arsenal nahe dem HGM, hinzu: das Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz.
Noch im Sommer 2006 präsentierte die Arbeitsgruppe ihre "Roadmap" zur Errichtung des Republiks-Museums: Der Vollbetrieb sollte spätestens 2015 starten, die erste Ausstellung war für 2008 zum 90-jährigen Republiksjubiläum angedacht. Standort und Finanzierung: unklar. Der Bericht wurde zur Evaluierung an "internationale Experten" geschickt. Indes kritisierte die Expertenkommission die Arbeitsgruppe wegen mangelnder Transparenz bei der Ausarbeitung des Konzepts - bis 2008 die Regierung selbst die Projektleitung übernahm.
Planungskosten bis 2008: 205.300 Euro
Im April 2008 beschloss der Ministerrat, ein Museumsberatungsunternehmen mit der Detailplanung für das "Haus der Geschichte" zu beauftragen - und Bundespräsident Fischer sprach sich abermals für das Vorhaben aus. Gegen Jahresende gab der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) bekannt, das Projekt bei der Gruppe Haas/LORD in Auftrag gegeben zu haben, innerhalb eines Jahres solle ein Architektenwettbewerb abgeschlossen sein. Publik wurden aber nur die Kosten der bisherigen Planungen in der Höhe von 205.300 Euro. Das Vorhaben schlief wieder ein.
Zumindest in den diversen Regierungsprogrammen fand das "Haus der Geschichte" danach noch Aufnahme, ansonsten hieß es, es sei schlicht kein Geld dafür vorhanden. Ende 2014 tauchte das Vorhaben wieder aus der Versenkung auf: Im Rahmen der Neugestaltung des Weltmuseums sollten auch weitere Projekte angedacht werden. Am 19. Jänner 2015 wurde von Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) schließlich vereinbart, das Umbau-Projekt zu verkleinern - die "Redimensionierung" ermögliche die Etablierung eines "Haus der Geschichte" in der Neuen Hofburg am Heldenplatz.
Wissenschaftlicher Beirat
Bereits Ende Jänner 2015 betraute Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) den Zeithistoriker Oliver Rathkolb mit der Leitung des wissenschaftlichen Beirats für das "Haus der Geschichte". Rathkolb stand einem Team von rund 25 österreichischen und internationalen Experten vor, das auf den Ergebnissen der zahlreichen Vorstudien aufbauend ein Ausstellungskonzept erarbeitete.
Rathkolb bezeichnete nach seiner Bestellung Ostermayers Vorstoß gegenüber der APA als "einmalige Chance" und versicherte, das Haus der Geschichte solle "sicher kein braves Nationalmuseum" werden. Als Eröffnungstermin brachte er das Jahr der 100. Wiederkehr des "Schlüsseljahres" 1918 ins Spiel. Für den künftigen Architekten ortete Rathkolb allerdings eine Herausforderung: "Diese imperialen Räume haben eine unglaubliche Deutungsmacht", sagte er damals. Auch der Platz selbst sei von Prinz-Eugen-Denkmal bis Hitler-Rede extrem aufgeladen - gerade daher aber spannend zu bespielen.
Kontroversen um Standortentscheidung
Die Standortentscheidung für das "Haus der Geschichte" löste rasch Kontroversen aus. Ende Februar räumte Ostermayer ein, dass die Neustrukturierung der Neuen Burg und Realisierung eines "Hauses der Geschichte" nicht alleine durch die Redimensionierung des geplanten Ausbaus des Weltmuseum Wien finanzierbar sei. "Natürlich braucht es zusätzlich Geld", so der Minister, versicherte aber, dass es sich nur um einen Bruchteil dessen handle, was ein Neubau kosten würde. Die durch die Redimensionierung des Weltmuseums frei gewordenen Mittel belaufen sich schließlich auf lediglich elf Mio. Euro.
Im März wurde schließlich die seit 2009 unter Verschluss gehaltene Studie von Haas & Lordeurop veröffentlicht, die damals eine jährliche Besucherzahl von bis zu 220.000 Menschen in einer Maximal-Variante (11.200 Quadratmeter) angegeben hatte. Durchgerechnet wurden damals drei unterschiedliche Varianten, wobei für die Minimalvariante 4.300 Quadratmeter Gesamtfläche angenommen wurde, wobei jedoch stets von einem Neubau ausgegangen worden war.
Die Regierung setzte schließlich eine Steuerungsgruppe ein, in der Vertreter aus dem Kanzleramt, Wissenschaftsministerium, Finanzressort, Innen- und Verteidigungsministerium, die Burghauptmannschaft, die Bundesimmobiliengesellschaft, das Bundesdenkmalamt, die Nationalbibliothek, das Kunsthistorische Museum, die Uni Wien, die Akademie der Bildenden Künste sowie die Landeshauptleutekonferenz einbezogen werden sollten.
"Nichts Ungeeigneteres als die Neue Burg"
Als mögliche Räumlichkeiten wurden 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in der Beletage der Neuen Burg genannt, wo sich allerdings die zum KHM gehörende Sammlung Alter Musikinstrumente befindet. In Folge äußerten sich einige Experten kritisch: Die Rede war vom "Reinquetschen in Altbestand", der ehemalige KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel nannte die plötzliche Umplanungs-Forderung eine "politisch als auch sachlich unverantwortliche Vorgangsweise", für ein Haus der Geschichte gebe es "nichts Ungeeigneteres als die Neue Burg".
Auch gegen die drohende Absiedlung der Musikinstrumente formierte sich rasch Protest. Der Österreichische Musikrat (ÖMR) nannte die Einschränkung der räumlichen Möglichkeiten "nicht akzeptabel". Eine von Peter Donhauser, dem ehemaligen Sammlungsleiter im Technischen Museum Wien und zeitweisen interimistischen Leiter, initiierte Petition zum Erhalt der Sammlung wurde in kürzester Zeit von mehr als 6.500 Menschen unterschrieben.
Im Juni standen die Pläne für ein "Haus der Geschichte Österreichs" im Mittelpunkt einer von der Österreich-Sektion des Museumsbunds ICOM organisierten Veranstaltung im Weltmuseum. Neben dem Republikjubiläum 2018 wurde dabei erstmals 2022 als Zeithorizont neu in die Debatte eingeführt: Dann werde nämlich "das Containerdorf des Parlaments" vom Heldenplatz wieder abgesiedelt, sagte Oliver Rathkolb.
Mitten im Sommer 2015 brachte schließlich die ÖVP eine neue Facette ins Spiel: Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) schlug nicht nur einen Neubau neben dem Äußeren Burgtor vor, sondern auch neue Inhalte. Ihm schwebte ein "Haus der Zukunft" vor. Ein "Haus der Zukunft" auf der Hundewiese, der laut Rathkolb "kein Ruhmesplatz der Stadtgestaltung" ist, und das "Haus der Geschichte" würden einander nicht ausschließen. Die Idee passe sehr gut zu seinem Konzept, dessen letztes Kapitel sich mit Zukunft, Utopien und Österreich im europäischen Kontext beschäftigt.
Querelen auf der Zielgeraden
Noch bevor das "Haus der Geschichte Österreich" eine Leitung bekam, ging im Februar 2016 die Website www.hdgoe.at online und informierte über Ziele, die Projektgeschichte, den Standort und die geplanten Aktivitäten. Mitte März behandelte der Nationalrat die Novelle des Bundesmuseengesetzes, in der das hdgö der Nationalbibliothek zugewiesen wurde.
Einen Monat später bezifferte der damalige Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) die Errichtungskosten mit 29 Mio. Euro. Für kurzzeitige Aufregung sorgte Anfang Mai 2016 der im Rahmen der Präsentation der Vorstudie geäußerte Umstand, dass der geplante Eröffnungstermin auf das 2. Quartal 2019 verschoben wird. Im Herbst 2018 sei lediglich eine "Teileröffnung" geplant. In weiterer Folge rückte das Eröffnungsdatum auch aufgrund fehlender Finanzierungszusagen vorübergehend vom geplanten Termin im Herbst 2018 ab.
Auf die Ausschreibung für die Leitung des hdgö im Herbst 2016 bewarben sich 13 Personen, darunter fünf Frauen, für die Direktion. Am 26. Jänner 2017 wurde schließlich Monika Sommer als Chefin des Hauses präsentiert, ihr Amt trat sie bereits wenige Wochen darauf, am 13. Februar an. Auch sie nannte eine Neubau "sinnvoll". Im Juli gewann das Wiener Büro BWM Architekten den EU-weiten Wettbewerb für die Generalplanung des hdgö. Mit dem "Haus der Geschichte" in St. Pölten eröffnete am 9. September 2017 das Geschichtsmuseum in Niederösterreich.
Wahlurne als erstes Sammlungsobjekt
Ende September präsentierte das "Haus der Geschichte Österreich" sein erstes Sammlungsobjekt: Eine Wahlurne. "Da Demokratieentwicklung, ihre Brüche und Transformationen ein wichtiges inhaltliches Thema des HGÖ sein werden, wollten wir die Nr. 1 mit diesem Thema besetzen", so Monika Sommer im APA-Interview. Wenige Wochen später folgte eine ausrangierte Regierungsbank aus dem Parlament. Im am 16. Dezember veröffentlichten Regierungsprogramm der neuen ÖVP/FPÖ-Regierung fand sich das "Haus der Geschichte" ebenfalls: Geplant ist eine "Evaluierung der derzeit bestehenden Pläne" sowie die "Einbettung des Projekts in eine gesamthafte Museenstrategie".
Am 4. Mai 2018 wurde der Eröffnungstermin des hdgö für den 10. November bekanntgegeben. Am 7. Juli traten mit der Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, und dem Leiter des Dokumentationsarchivs des Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner, zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates des "Hauses der Geschichte" unter Protest aus. Die beiden Ex-Mitglieder des Gremiums bemängelten, dass kein Gesamtkonzept zur fachlichen Ausrichtung des Hauses vorliege. Ende Juli waren die renovierten Räumlichkeiten schließlich bezugsfertig, und der Titel der Ausstellung wurde bekannt gegeben: "Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918".
"Haus der Republik"
Am 24. Oktober konkretisierten Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Zukunftspläne wenige Tage vor der Eröffnung. Präsentiert wurde der Plan, das Haus in die Eigenständigkeit zu führen, gleichzeitig aber ans Parlament anzubinden und schließlich auch umbenennen zu wollen. Arbeitstitel: "Haus der Republik".