Direktorin Sommer "glücklich über gemeinsamen Weg"
Im Februar 2017 wurde Monika Sommer als Gründungsdirektorin für das Haus der Geschichte Österreich eingesetzt, knapp eineinhalb Jahre danach eröffnet das Haus mit der Ausstellung "Aufbruch ins Ungewisse". Im APA-Interview spricht sie über Herausforderungen und Chancen einer Neugründung im "Höllentempo", die Aufgabe, sich einzuschränken und die Zukunft.
APA: Wenige Tage vor der Eröffnung des hdgö wurden einige Eckpunkte für die Zukunft geklärt. Dazu zählen die Herauslösung aus der Nationalbibliothek, die Überführung in die Eigenständigkeit und eine noch nicht näher definierte Anbindung ans Parlament. Sind Sie zufrieden?
Monika Sommer: Ich bin glücklich, dass wir nun einen gemeinsamen Weg skizziert haben. Das Haus soll ein fester Bestandteil der Republik werden. Darüber hinaus freue ich mich, jetzt endlich in das Stadium zu kommen, wo wir einen Museumsbetrieb haben und das Haus der Geschichte Österreich nach diesen langen Diskussionen endlich in eine Realisierungsphase kommt. Wichtig ist, dass die Finanzierung für 2019 nachgebessert wurde. Ohne die gute Zusammenarbeit mit der Österreichischen Nationalbibliothek wäre das Haus der Geschichte Österreich noch nicht so weit, wie wir jetzt sind.
APA: Kulturminister Gernot Blümel und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka haben eine Umbenennung in "Haus der Republik" angeregt. Ist das ein inhaltlicher Eingriff in Ihre bisherigen Planungen? Schließlich wird dadurch die Zeit davor genauso ausgeschlossen wie die Zeit von 1933 bis 1945.
Sommer: Ich habe mich bei der Namensgebung - Haus der Geschichte Österreich - an den Titel im Gesetz gehalten. Der ebenfalls festgeschriebene politische Auftrag war immer, eine Schau über die Republik zu machen. Wir wollen dieser Evaluierung nicht vorgreifen, sicher kann man aber noch einmal über den Namen nachdenken, der ja unter Historikern vielfach diskutiert wurde.
APA: Sie hatten mit dem hdgö die seltene Möglichkeit, eine Museumsgründung zu verantworten. Wo lagen die Chancen, aber auch die Herausforderungen, ein so einmaliges Projekt umzusetzen?
Sommer: Es ist wirklich mehr als eine Jahrhundertchance, das hdgö in der Gründungsphase leiten zu dürfen. Die Chancen liegen genau darin, ein Museum des 21. Jahrhunderts zu gestalten und die vielfache Kritik, die es an der Institution Museum in den letzten 30, 40 Jahren gegeben hat - Stichwort Postcolonial Studies oder Representative Turn - unmittelbar in unsere Arbeit aufzunehmen. Wir sind als junge Generation von dieser Kritik geprägt und gleichzeitig überzeugt von der Chance, das Museum als Kontaktzone, als sozialen Ort zu etablieren und das Haus in seiner Gleichzeitigkeit von physischem und virtuellem Raum zu denken und zu leben.
APA: Und die Herausforderungen?
Sommer: Es ist sicherlich so, dass es von seiner Struktur und den Rahmenbedingungen ein ziemlich komplexes Unternehmen war. Wir sind Teil der Österreichischen Nationalbibliothek, der Ort selbst war lange nicht gesichert, wir sind umgeben von Sammlungen des KHM. Es gab vielfache Herausforderungen. Natürlich wäre es schön gewesen, hätte man etwas mehr Zeit gehabt. Man darf nicht vergessen, ich bin im Februar 2017 als Gründungsdirektorin allein angetreten und am 10. November 2018 öffnen wir ein Museum. Dafür zollen uns viele internationale und nationale Museumsleute höchsten Respekt, weil sie wissen, was das bedeutet.
APA: Im Fall des hdgö gab es keine eingefahrenen Strukturen, mit denen Sie arbeiten konnten beziehungsweise mussten. Ein Vorteil?
Sommer: Es gibt Erfahrungswerte der ÖNB, auf die wir zurückgreifen konnten. Wir mussten uns natürlich auch einen Modus des Miteinanderarbeitens ausverhandeln. Wenn ein Museum in so einem Höllentempo entstehen soll, muss man sich einfach besonders gut ausreden, wie man miteinander arbeitet. Aber es ist natürlich spannend, wenn man sich überlegen kann, wie man Strukturen gestaltet. Ich war ja zehn Jahre lang im Wien Museum und habe an der Seite des damaligen Direktors Wolfgang Kos intern den Change-Management-Prozess des Hauses mitgemacht und hatte nun die Gelegenheit, auf diesen Erfahrungen aufbauend zu agieren. Das hat mir sehr geholfen.
APA: Mit der Errichtung eines wissenschaftlichen Beirats, eines Publikumsforums und eines internationalen Beirats gab es schlussendlich viele Menschen und Meinungen, die das Endprodukt beeinflusst haben. Mit der Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, und dem Leiter des Dokumentationsarchivs des Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner, verließen im Sommer zwei namhafte Mitglieder den wissenschaftlichen Beirat. Sie bemängelten, dass kein Gesamtkonzept zur fachlichen Ausrichtung des Hauses vorliege. Wie sind Sie mit dieser Kritik umgegangen?
Sommer: Wir sind das erste Museum, das zwei gesetzlich verankerte Gremien - einen politisch besetzten wissenschaftlichen Beirat und ein Publikumsforum - hat. Es gab am Anfang Verhandlungen darüber, was genau das Pouvoir dieser Beiräte ist. Das ist ganz normal. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir da konstruktiv weiterarbeiten werden. Tatsache ist, beide Gremien haben beratende Funktion und wir haben viele wichtige Impulse erhalten.
APA: Sie haben die Sammlung quasi aus dem Nichts heraus aufgebaut. Wie sah der Prozess aus?
Sommer: Mir ist es sehr wichtig, hier zu differenzieren. Wir haben begonnen, selbst eine Sammlung anzulegen, gleichzeitig haben wir bei anderen Museen und privaten Leihgebern Objekte recherchiert, die wir in der Eröffnungsschau ausstellen werden. Zugleich bin ich von der Notwendigkeit einer Sammlung zutiefst überzeugt. Auch die ICOM-Kriterien, was ein Museum ist, sehen eine Sammlung vor.
APA: Wie lief die Zusammenarbeit mit den Leihgebern?
Sommer: Wir haben unglaublich viel Kooperationsbereitschaft bei den angefragten Museen erfahren. Ich glaube, dass es jetzt alle wichtig finden, dass ein Haus der Geschichte Österreich nach jahrzehntelangen Debatten Wirklichkeit wird und vor allem der österreichweite Sammlungsauftrag in Zukunft wahrgenommen werden muss. Das ist eine Leerstelle, die bisher niemand in seinem Auftrag hatte.
APA: Welche Schwerpunkte waren Ihnen in der Ausstellung bei der Fülle an Möglichkeiten und Objekten wichtig?
Sommer: Es ist die Aufgabe, sich einzuschränken. Wir sind ja auch nicht mehr im enzyklopädischen Zeitalter, wo das Museum den Anspruch hatte, lexikalisch zu agieren. Im Gegenteil. Unsere Aufgabe ist es, interessante Geschichten zu erzählen; und das tun wir. Wir nehmen die Jahre 1918-1920/21 zum Anlass für eine Neuerzählung. Was uns interessiert, ist weniger der Blick auf den Zerfall der Habsburgermonarchie, als den Blick auf Herausforderungen und Chancen dieser demokratiepolitischen Zäsur zu lenken, die mit diesem neuen Staatssystem erfolgt ist.
Aus dieser Auseinandersetzung heraus haben wir weitere Themenschwerpunkte abgeleitet, die uns bis heute als brennende Fragen erscheinen. Beispielsweise die Rolle der Wirtschaft oder die Frage des dramatisch raschen Wegs in die beiden unterschiedlichen Diktaturen. Wie konnte diese junge Demokratie so rasch destabilisiert werden und wie wirken die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur und das NS-Terrorsystem in der Zweiten Republik nach? Wir gehen diesen geschichtspolitischen Debatten nach. Auch das Verhandeln österreichischer Identität ist ein laufender Prozess.
APA: Wenn Sie an Ihr Publikum denken: Wer ist das und was soll es mitnehmen, wenn es die Ausstellung verlässt?
Sommer: Ich bin überzeugt, dass wir sehr unterschiedliche Zielgruppen haben. Einerseits schaffen wir ein wirklich tolles Angebot für junge Menschen. Wir haben die Vermittlung sehr früh eingebunden, haben mit Peer-Groups gearbeitet und ein eigenes Heft entwickelt, mit dem man sich als Jugendlicher durch die Ausstellung bewegen kann. Weiters gibt es Unterrichtsmaterialien zum Download, Angebote für Lehrer und die Schüler gleichermaßen. In der Frage des touristischen Publikums bin ich überzeugt: Man kann heute ja nicht mehr von dem einen Touristen sprechen, der sich zum Beispiel nur für das imperiale Wien interessiert. Wir zeigen: Österreichische Geschichte ist mehr als Sisi.
APA: Denken Sie nach wie vor an einen Neubau, der auch die Möglichkeit der Sammlungspräsentation bietet?
Sommer: Der Punkt ist: Wir haben jetzt für dieses Haus der Geschichte ein Fundament geschaffen und müssen weiter daran bauen. Wir wollen ja lebendige Geschichte vielstimmig erzählen. Es gibt viele Vorstudien, auf die man noch gut zurückgreifen kann. Einerseits welche, die klar für einen Neubau plädieren, die aber auch zeigen, dass die jetzige Situation in der Neuen Burg einem Haus, das einem internationalen Standard entsprechen soll, zu wenig Platz bietet. Die Lösung ist also entweder ein Neubau oder eine Erweiterung in der Neuen Burg. Das muss man sich gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen noch einmal anschauen.
APA: Was wünschen Sie sich vom Eröffnungswochenende?
Sommer: Ich wünsche mir, dass viele Menschen mit uns die Eröffnung dieses lange diskutierten Museums feiern. Wir haben wirklich viel Spannendes zu bieten und ich hoffe, dass sich viele dafür interessieren.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)