Haus der Geschichte Österreich: "So weit waren wir noch nie!"
"So weit waren wir noch nie!", freute sich Monika Sommer, Direktorin des Haus der Geschichte Österreich (hdgö), kürzlich bei der Pressekonferenz zur bevorstehenden Eröffnung. Damit verwies sie auf den vorläufigen Schlusspunkt eines jahrelangen Tauziehens rund um das Zeitgeschichtemuseum, das am 10. November mit einem großen Fest bei freiem Eintritt in der Neuen Burg seine Tore öffnet.
Es handle sich um einen "Meilenstein für die österreichische Museumslandschaft, für die historische und politische Bildung und das Bekenntnis zur Auseinandersetzung mit der jüngeren und jüngsten Geschichte Österreichs", so die im Februar 2017 angetretene Direktorin, die "450 Arbeitstage zur Verfügung" hatte, um das - derzeit organisatorisch an die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) angegliederte - Museum zu realisieren. Eröffnet werde nun ein "Museum des 21. Jahrhunderts, das sich als Diskussionsforum versteht". Man sei dabei "sowohl im Zeit-, als auch im Budgetplan" geblieben. Zu verdanken sei dies "der Magie der runden Zahl", also dem diesjährigen 100. Geburtstag der Republik Österreich.
Auch ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger freute sich über diesen "Etappensieg in der langen Geschichte der Diskussionen um die Errichtung des Hauses der Geschichte" und verwies auf die "schwierigen Rahmenbedingungen, die uns auf dem Weg begleitet haben". Auch, wenn das hdgö laut Plänen des Kulturministers Gernot Blümel (ÖVP) und des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka künftig von der ÖNB losgelöst in die Eigenständigkeit geführt und gleichzeitig näher ans Parlament angedockt werden soll, "freue ich mich wirklich sehr, dass wir Geburtshelfer sein konnten".
Geschichtslücken schließen
Das Haus sei "in Rekordzeit" geschaffen worden, Sommer verdiene dafür "Respekt und Hochachtung", so Rachinger, die auch dem Zeithistoriker und Beiratsvorsitzenden Oliver Rathkolb dankte. Dieser sei "von Anfang an ein engagierter Kämpfer für das Haus der Geschichte" gewesen. Rathkolb unterstrich in seinem Statement die Notwendigkeit, in einer "turbokapitalistisch durcheinandergewirbelten Gesellschaft in Ruhe (selbst)kritisch in die Geschichte zurückzuschauen, um ein unaufgeregtes, demokratisches Bild für die Zukunft zu entwickeln". Gerade in der jüngeren Generation fehle "das zentrale Wissen über die jüngere Geschichte", es gebe "fundamentale Geschichtslücken", die man nun mit dem hdgö schließen könne.
Als "wichtigen symbolischen Akt" nannte er jene Ausstellung, die sich ein Stockwerk über dem hdgö vor dem Altan ("Hitler-Balkon") findet. Diese Wechselausstellung mit dem Titel "Nur die Geigen sind geblieben" widmet sich Alma und Arnold Rosé, zwei Ikonen des österreichischen Musik- und Gesellschaftslebens. Alma Rosé, deren Namen das Plateau künftig tragen wird, starb am 5. April 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau. Rathkolb nannte es einen "wichtigen symbolischen Akt, vor dem Altan einen Gegenpart zu stellen". Wie Sommer ausführte, wären "kostspielige Baumaßnahmen" nötig gewesen, um die Terrasse zugänglich zu machen.
Für Sommer bietet die in sieben Themenschwerpunkte gegliederte Ausstellung "Aufbruch ins Ungewisse" "einen Schlüssel zum Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen". Dabei habe man die Ausrufung der Republik am 12. November 1918 zum Anlass genommen, "Fragen aufzuwerfen, die Österreich und Europa bis heute bewegen". Der Blick in die Zukunft sei dabei zentral. Gestartet wird im ersten Raum mit den "Umbruchstagen", die man "völlig neu beleuchtet". In den darauf folgenden Stationen bewegt sich der Besucher entlang von Themen wie "Wunder Wirtschaft?", "Diktatur, NS-Terror und Erinnerung" oder "Grenzen verändern?", flankiert wird die Schau von einem 60 Meter langen chronologischen "Handlauf" namens "Macht Bilder!".
Interaktive Internet-Plattform
Als "wirklich innovativ" bezeichnete Sommer die interaktive Internet-Plattform, auf der es zahlreiche Web-Ausstellungen gibt, die das Publikum durch eigene Uploads von Fotos und Videos ergänzen kann. "Wir gehen völlig neue Wege der Verschränkung des realen und des virtuellen Museums", so die Direktorin, die auch die zahlreichen Bildungsangebote der Vermittlung betonte.
Besonders stolz ist man auf einen Kalendereintrag von Sigmund Freud aus dem Herbst 1918 - eine Leihgabe der Library of Congress. "Hier verbindet sich Weltpolitik mit österreichischer Zeitgeschichte und Familiengeschichte", so Sommer, die auch auf den Einsatz von zeitgenössischer Kunst in der Ausstellung verwies. "Zeitgenössische Kunst reflektiert Vergangenheit wie Gegenwart und ist deshalb sehr wichtig für das Haus der Geschichte", so die Direktorin in Hinblick etwa auf die Klanginstallation der schottischen Künstlerin und Turner-Preisträgerin Susan Philipsz, die im März auf dem Heldenplatz realisiert wurde.
"Wir haben in Rekordzeit ein solides Fundament gelegt, darauf können wir nun weiter aufbauen", freute sich Monika Sommer abschließend. "Österreich hat jetzt einen Ort, an dem die Zeitgeschichte zu Hause ist."
Service: Haus der Geschichte Österreich: Ausstellung "Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918", bis 17. Mai 2020, Eröffnung am 10. November, 11 bis 21 Uhr bei freiem Eintritt. Infos unter www.hdgoe.at
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