Blick nach Außen - "Open Innovation" braucht neue Unternehmenskultur
Dominierte früher eher der Gedanke, dass Innovationen in mehr oder weniger abgeschlossenen Forschungsabteilungen entstehen, verschwimmen die Grenzen zwischen Labors und Außenwelt nun immer mehr. Hinter dem Stichwort "Open Innovation" versteckt sich der Gedanke, dieser Entwicklung auch im betrieblichen Umfeld Rechnung zu tragen und die Organisation für Einflüsse von Außen zu öffnen. Dazu brauche es vor allem Veränderungen in den Unternehmenskulturen, zeigte sich der bei Siemens Österreich für Open Innovation und Scouting zuständige Experte Michael Heiss im Gespräch mit der APA überzeugt. Im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche wird sich ein Arbeitskreis mit dem Potenzial von internetbasierten Vernetzungstools für solch neue Formen von Innovationsprozessen beschäftigen.
"Das 'Not-invented-here-Syndrom' ist tief in uns verwurzelt und nur schwer gegen ein 'Proudly-found-elsewhere" zu ersetzen", so Heiss. Die handelnden Personen bräuchten "ein klares Bild und die innere Überzeugung, in welchen Situationen es für das Unternehmen langfristig wertvoller ist, externe Kompetenz einzubeziehen. Haben die Mitarbeiter verstanden, dass dadurch ihr Wert für das Unternehmen gesteigert wird, haben sie verstanden, was Open Innovation bedeutet", erklärte der Experte.
Projekte sichtbar machen
Es gehe darum, ein Fingerspitzengefühl dafür zu entwickeln, wann solche Strategien sinnvoll eingesetzt werden können. Um hier voranzukommen, brauche es vor allem gute Beispiele und Vorbilder in der unmittelbaren betrieblichen Umgebung. Es genüge nämlich nicht, wenn sich etwa die Führungsriege dazu bekennt, den Nutzen einzelner Open-Innovation-Projekte sichtbar zu machen.
Um einen solchen Prozess zu starten, gebe es zwei Herangehensweisen, so der Experte. Durch Ideenwettbewerbe zu bestimmten Themen könnten Ansätze aus anderen Abteilungen oder von außerhalb in den betrieblichen Innovationsprozess einbezogen werden.
"Crowd-Sourcing" und "Technology Scouting"
Internes "Crowd-Sourcing" betreibe Siemens mit einer eigens dafür entwickelten Online-Plattform bereits seit 1999. Einen externen Ansatz wo, laut Heiss, "Ideen rund um die Welt eingesammelt" werden, habe man vergangenes Jahr mit dem "Smart Grid Innovation Contest" ausprobiert. Bei dem Wettbewerb zur Zukunft der Energienetze kamen Beiträge aus mehr als 100 Ländern zusammen, zudem wurden die Grundlagen für mehrere Projekte, die Siemens nun in Kooperation mit Universitäten verfolgt, gelegt.
"Crowd-Sourcing" eigne sich zwar gut, um Verbraucher oder Forschungsinstitutionen zu beteiligen, anders laufe es aber im "Business-to-Business"-Bereich. Dort müsse aktiv nach Kooperationspartnern gesucht werden, die konkrete geschäftsrelevante Technologiekompetenzen mitbringen könnten. Dafür hat sich der Begriff "Technology Scouting" durchgesetzt.
Die Recherchearbeit sei hier entsprechend aufwendig. Geht es darum, eine Lösung für ein bestimmtes technologisches Problem zu finden, brauche es zuerst eine genaue Definition des Gesuchten. Vor dem Hintergrund, dass oft kleine Start-up-Unternehmen irgendwo auf der Welt über sehr spezielles Wissen verfügen, suche man oft nach der "Stecknadel im Heuhaufen", so der Experte.
Eine Flut an Datenbanken
Eine Google-Suche sei zwar "ein guter erster Start", für richtiges Scouting aber nicht ausreichend. Dazu brauche es sogenannte "Technology-Offering-Datenbanken", die in Datenbanken von Universitäten und Forschungszentren sowie Plattformen, in denen die Finanzierungsrunden von Start-ups gelistet sind. Dazu kommen beispielsweise noch Literatur- und Patentdatenbanken oder eine globale Universitäts-Suchmaschine. In Summe können das über 100 Datenbanken werden, die es zu durchforsten gilt. Noch komplizierter werde es aber, wenn man den Anspruch verfolge "wie mit einem Radar" den Blick auf das Gesamte zu richten, um keine interessante Entwicklung, gleich welcher Art, zu verpassen, erklärte Heiss.
Gerade für Start-ups sei es meistens durchaus interessant, mit einem großen Konzern zu kooperieren und umgekehrt. Um allerdings soweit zu kommen, müssten einerseits die Start-ups und Klein- und Mittelbetriebe gut auffindbar sein und andererseits die großen Unternehmen wissen, wo sie suchen müssen. Das sei jedoch noch bei weitem nicht erreicht, da sich die wichtigen Informationen eben auf zahlreiche Datenbanken verteilen. "Das ist aus heutiger Sicht eigentlich unnötig mühsam", betonte Heiss.
Ruf nach weltweitem Marktplatz
Ein homogener weltweiter Marktplatz, der die vielen unterschiedlichen Tools und Datenbanken integriert, wäre daher sinnvoll. Als gutes Beispiel vorangehen könnten hier öffentlich geförderte Technologie-Datenbanken. Heiss' Vision: "Jedes noch so kleine Unternehmen kann diesen einen, global vernetzten Marktplatz nutzen, indem es seinen Bedarf formuliert und innerhalb von Sekunden die besten Kooperationspartner auf der Welt aufgelistet bekommt."
In Alpbach soll das Thema nun erstmals in Österreich auf größerer Bühne angesprochen werden. Der Experte ist überzeugt, dass gerade in einem kleinen Land eine bessere Vernetzung im Sinne von Open Innovation zu einem Wettbewerbsvorteil werden könnte.
Von Nikolaus Täuber/APA-Science